Beobachter
Beobachter
Ein ziemlich idealer Sommertag:
Ich schlafe aus, frühstücke ausgiebig, wandere ein wenig
und erfrische mich in einem kühlen See.
Dann komme ich nach Hause.
Ein kühles Getränk, ein paar Steaks für den Grill,
die Küche ist aufgeräumt, der Rasenmäher ist kaputt.
Vor meinem geistigen Auge entsteht das Bild des Wanderers.
Und ich frage mich, wer oder was ich eigentlich bin,
der, der da wandert.
Und was ist alles drin, in meinem Rucksack?
Ich bin der mit diesem Körper, diesem Namen, dieser Herkunft,
dieser Hautfarbe, dieser Staatsangehörigkeit, dieser Religion.
Mit all diesen Rollen: Partner, Vater, Berufstätiger.
Mit all meinen Erfahrungen aus der Vergangenheit.
Mit meinen Gefühlen, meinen Befürchtungen, Ängsten,
meinem Kummer und meinen Sorgen.
Und meinem Verstand,
meinen Überzeugungen, Meinungen, Vorurteilen und Urteilen.
Dieser volle Rucksack,
zieht mich mit seinem Gewicht so sehr nach unten,
dass ich nicht von der Stelle komme.
In meiner Fantasie aber sehe ich mich
fröhlich plaudernd neben mir her wandern.
Und da wird mir auf einmal klar:
Ich BIN das alles nicht.
Ich HABE es in meinem Rucksack:
Ich HABE einen Körper und eine Herkunft.
Ich HABE unterschiedliche Rollen.
Ich HABE Erfahrungen, Gefühle und Überzeugungen.
ABER ICH BIN DAS ALLES NICHT !!!
Und ich habe bei ALLEM
Die FREIE WAHL,
ob es mich herunter zieht – oder nicht.
Manchmal schaue ich mir gern
eine gute oder schlechte Erfahrung an.
Aber ich BIN NICHT diese Erfahrung.
Manchmal HABE ich Kummer und Angst.
Aber ich BIN nicht Kummer und Angst.
Manchmal bin ich gerne Partner, Vater und Berufstätiger.
Aber ich BIN NICHT Partner, Vater und Berufstätiger.
Ich habe immer die freie Wahl !!!
Und ich liebe es,
die Verantwortung wahrzunehmen
für meine freie Wahl.
Ich HABE einen Rucksack.
Aber der zieht mich nicht runter.
Denn ich BIN nicht mein Rucksack.
Manchmal greife ich hinein
Und entscheide in freier Wahl,
was ich mir heraus nehme.
Ich BIN NICHT der Inhalt meines Rucksacks !
Ich bin ein Wanderer.
Keine Ahnung,
ob ich noch schwimme oder grille oder Rasen mähe.
Im Moment wandere ich.
Das ist eine wunderschöne freie Wahl,
es tut so gut zu wandern.
Ich wandere durch`s Leben.
Nur eins finde ich noch schöner,
wenn ich fröhlich plaudernd neben mir her gehe:
Ich bin der BEOBACHTER
von mir als Wanderer.
Manchmal machen wir Pause
und teilen den Proviant.
Ich teile so gern mit mir.
Und plaudere so gern mit mir.
Ich BIN mein Beobachter.
(Das ist ja schon fast ein klein wenig erleuchtet.)
Ach – und da ist ja noch jemand neben uns…
DIR zuzuhören,
mit DIR den Proviant zu teilen,
mit DIR in den kühlen See zu springen
und mit DIR zu grillen,
ist das Allerschönste.
Ok, ok, ICH mähe den Rasen.
Segafredo
Segafredo
Endlich Urlaub.
Raus aus dem Trott.
Seele baumeln lassen.
Endlich Erholung für Beziehung und Familie.
Endlich ein wenig Zeit sich zu besinnen.
Für die Besinnung bieten sich fünf Fragen an:
1. Woher komme ich?
2. Wozu bin ich auf der Welt?
3. Wohin gehe ich?
4. Wann kommt der nächste Stau auf der A3
5. Warum müssen wir immer Pause machen, wenn DU es willst?
Dann streiten wir.
Und die Chance zum Streiten ist beim aufeinander bezogen sein
größer als daheim
(siehe auch Geburtstag, Weihnachten, Urlaub).
Wir streiten auch,
weil wir von mindestens drei Lügen tief überzeugt sind:
Streit bringt Klarheit.
Streit ist therapeutisch.
Streit ist unvermeidlich.
Und hier die Wahrheit über Streit:
Streiten ist Rechthaben wollen
und den anderen ins Unrecht setzen wollen.
Streiten ist beherrschen wollen
und Kontrolle haben wollen.
(Achtung: wenn Du jetzt widersprechen möchtest,
streitest Du, weil Du Recht haben willst, das ist Streiten).
Und hast Du schon entdeckt?
Du hast ein ganz erstaunlich individuelles Streitmuster,
ganz Dein eigenes:
einmal tust Du es laut, einmal brutal, einmal hinterfotzig,
einmal zurückgezogen, einmal beleidigt, einmal schweigend,
einmal demütigend, einmal entwürdigend
und einmal vollkommen ignorant.
Denkst Du noch immer, das sei unvermeidlich?
Doch, doch, es gibt einen Ausweg:
Zunächst einmal akzeptierst Du,
dass Du manchmal streitest,
weil Du unbedingt Recht haben willst.
Dann bist Du schon auf dem Heilsweg.
(das gilt übrigens für alle Knoten in Deinem Leben:
Akzeptanz entknotet).
Dann kommt Schritt 2:
Du erkennst, dass Du nicht streiten musst !
Dazu genügt es vollkommen,
sich in den anderen hinein zu versetzen.
Oder würdest Du zu Deinem Kind
auf der Rückbank Deines Autos sagen:
Nein, ich weiß, dass Du keinen Durst hast.
Nein, ich weiß, dass Du nicht pinkeln musst.
Nein, ich weiß, dass Dir nicht langweilig ist.
Quatsch. Selbstverständlich würdest Du fürsorglich sein!
Und genau so könntest Du auch mit Deinem Partner umgehen,
oder mit jedem anderen Beifahrer auch.
Der entscheidende Ausweg:
Du könntest kommunizieren, statt streiten.
Kommunikation heißt:
Vereinigung, Gemeinschaft, Mitteilen, Teilen.
Wusstest Du schon,
dass Kommunikation Vereinigung ist?
Kommunikation geschieht dann,
wenn beide wollen, dass beide zufrieden sind.
Alles andere ist Streit.
„Was könnten wir jetzt tun, das Dir gut tut
und gleich oder später auch mir gut tut?“
Was auch noch hilft:
Du stellst Dir vor,
Du seist mit Rechthaben wollen
und ins Unrecht setzen,
mit Beherrschung und Kontrolle,
mit Demütigung, Entwürdigung und Ignoranz
auf die Welt gekommen.
Da musst Du lachen, stimmt`s?
Und immer wenn Du lachst,
bist Du schon ein klein wenig erleuchtet.
Und ein klein wenig erleuchtet, genügt vollkommen.
Und dann könntest Du mitten im Stau auf der A3 sagen:
Ich habe noch so einen 70 Cent-Gutschein
vom letzten Pinkeln an der Raststätte.
Hättest Du auch Lust auf eine schöne Tasse heißen
Segafredo?
Geborgenheit
Geborgenheit
Dieses Leben gibt es wohl nicht ohne Kummer und Sorgen.
Besonders spürbar,
wenn Du Dich dabei allein gelassen fühlst.
Noch stärker spürbar,
wenn Du Dich in Deinem Alleinsein einsam fühlst.
Manchmal am stärksten spürbar,
wenn Du in einer Beziehung bist.
In der Unterscheidung von Alleinsein und Einsamkeit
liegt bereits der Weg zur Erlösung
und zum Ende des Leidens:
In dem Moment,
in dem Du Dich bewusst für das Alleinsein entscheidest
(das ist manchmal besonders wichtig in Beziehung)
endet die Einsamkeit.
Wie das?
In dem Moment,
in dem Du Dich bewusst für das Alleinsein entscheidest,
ohne von jemandem zu erwarten,
dass er Deine Einsamkeit beenden möge,
entdeckst Du, dass Du selbst Dein Alleinsein
an das Gefühl von Einsamkeit gekoppelt hast.
Einsamkeit
ist ein Gefühl, das Du selbst – in freier Wahl –
gewählt hast.
Es ist nur ein Gefühl !
Und Du kannst es wieder abwählen:
Ich wähle jetzt,
dass mein Alleinsein keine Einsamkeitsgefühle macht.
Ich betrachte mein Alleinsein
als ein selbst gewähltes Geschenk.
Ein Geschenk für mich und andere.
Die Voraussetzung dafür, mich gleich oder später
jemand anderem zuwenden zu können
(von dem ich dann nicht mehr erwarte,
dass er meine Einsamkeitsgefühle beenden möge).
Wie das?
Ich höre jetzt gleich einfach damit auf,
jemand anderen für meine Gefühle verantwortlich zu machen.
Im Grunde weiß ich es:
Dass ich mich manchmal beim Alleinsein einsam fühle,
ist nicht die Wahrheit.
Aber ich will die Wahrheit.
Ich will, dass die Wahrheit mich frei macht.
Die Wahrheit ist:
Ich bin nicht allein.
Und Du bist nicht allein.
Und eventuell findest Du sie so oder ähnlich,
die Wahrheit:
Schließ die Augen und stelle Dir Folgendes vor:
Jemand sitzt hinter Dir.
Du spürst seine sanfte Herzenswärme.
Entspannt legst Du Deinen Kopf an seine Brust.
Er streichelt Deinen Kopf und sagt leise:
Lass jetzt alles los, Du lieber Mensch,
alles ist gut.
Ich beschütze Dich.
Ich tröste Dich.
Ich bin immer für Dich da.
Du bist nie allein.
Wer das ist?
Wer so spricht?
Aber das weißt Du doch !
Wenn Du das zulässt, das zu spüren,
dass Du nie allein bist
(und allein Deine Bereitschaft das spüren zu wollen genügt),
hast Du Dich gegen das Gefühl von Einsamkeit entschieden.
Und dann entsteht dieses Gefühl,
das zu den schönsten gehört,
das Menschen empfinden können:
Geborgenheit
Inkubation
Inkubation
Was ist denn das jetzt wieder für ein Terminus ???
Aber wenn ich ehrlich bin,
sind die vielen anderen Überschriften der Sonntagsgedanken
wie Friede, Freude, Eierkuchen u.s.w.
ja auch nicht leichter zu verstehen, stimmt`s ?
Es geht ja wohl um Werte,
das, was mir wirklich, wirklich wichtig ist:
Das Wahre, Schöne, Gute.
Glaube, Hoffnung, Liebe.
Freiheit, Freude, Glück und Frieden.
Und 250 andere.
Sind die denn willkürlich austauschbar?
Jedenfalls schwingen sie miteinander.
Und bedingen einander.
Der eine kommt gerne mal mit dem anderen.
Dann noch diese Werte:
Trennung, Verlust, Urteil, Angst und Tod.
Und 250 andere.
Sie schwingen miteinander,
bedingen einander.
Der eine kommt gerne mal mit dem anderen.
Eines aber verbindet diese beiden Gruppen von Werten:
Wenn Du Dich auf die eine Gruppe von Werten besinnst,
wirst Du tief berührt und stark beeindruckt sein.
Dein Leben wird sich radikal verändern.
Und wenn Du Dich
auf die andere Gruppe von Werten besinnst,
wirst Du tief berührt und stark beeindruckt sein
und Dein Leben wird sich radikal verändern.
Hier die schlechte Nachricht:
es gibt die eine Gruppe von Werten
nicht ohne die andere.
Und hier die gute Nachricht:
Du kannst Verantwortung übernehmen
für Dein Leben und das anderer
und Dich der einen Gruppe von Werten
zuwenden oder der anderen.
Das ist wohl ganz menschlich:
Liebe gibt es nicht ohne Verlustangst.
Aber Du darfst ganz gewiss sein:
Wenn es weh tut, ist es nicht Liebe.
Dann kannst Du Dich der Liebe zuwenden.
Wenn Du mal wieder wissen möchtest,
was Dir wirklich wichtig ist
und Du willst Dich dazu beraten lassen,
dann schau der Freundin, der Partnerin,
der Pastorin, der Therapeutin oder der Buchhändlerin
einmal kurz und tief in die Augen.
Dann weißt Du, ob sie Dir
Angst oder Liebe empfehlen werden.
Die Inkubationszeit in der Du angesteckt wirst,
dauert nur Millisekunden.
Inkubation ist die Ausbrütungszeit
der Etablierung und Vermehrung von Erregern.
Sie gilt auch für Dich und mich.
Wollen wir mit Angst anstecken? – oder mit Liebe?
Ich weiß manchmal nicht,
welcher Wert mir am wichtigsten ist.
Irgendwie schwingen sie alle miteinander.
Aber tief in mir spüre ich,
dass die Liebe irgendetwas mit der Freude zu tun hat.
Ich werde mir gleich einen kleinen Stein
in die Hosentasche stecken
und werde ihn „Freude“ nennen.
Und mich immer neu erinnern,
wenn ich die Hand in die Hosentasche stecke.
So ist es:
Egal, was ist
(und ich werde all das Unschöne nicht verdrängen,
leugnen oder schön reden),
egal, was ist:
Freude ist auch da.
Ich will heute mit Freude Menschen anstecken
(vielleicht ist es morgen ein ganz anderer Wert).
Heute ist es Freude.
Ich bin gespannt,
wie lang die Inkubationszeit ist.
Wie lang wird es dauern,
bis ich einen anderen angesteckt habe?
Und was geschieht, wenn der dann Freude ausbrütet
und andere damit ansteckt?
Es könnte doch sogar so sein,
dass dann die ganze Welt ein wenig schöner wird.