Mutter Erde
Mutter Erde
Deutschland hat gewählt.
Wie vermutet, wird alles so weitergehen.
Unser Wohlstand scheint gesichert.
Warum aber glauben immer mehr Menschen,
dass Politiker uns existentielle Wahrheiten verschweigen?
Vorgestern, am 27. September wurde der 5. Bericht
des Weltklimarates veröffentlicht.
Ja, das Klima erwärmt sich.
Das Grönlandeis schmilzt.
Die Treibhausgase nehmen zu.
Der Meeresspiegel steigt.
Mutter Erde weint.
Sie darf nicht mehr die sein, die sie ist.
Trinkwasser, Nahrung und Luft werden knapp.
Die Menschen verdursten, verhungern und ersticken im Smog.
Noch haben wir in Deutschland von allem genug.
Ich liebe es,
in meinem Baumwollschlafanzug zu frühstücken,
ein Nutellabrötchen, ein Wurstbrötchen und frischen Kaffee
um dann im geheizten Bad
die Blase zu leeren und zu duschen.
Das garantiert mir das Ergebnis der Bundestagswahl.
Inzwischen sprechen auch die Grünen lieber von Steuern.
Und das alles sagen sie alle uns lieber nicht:
Zur Herstellung einer Wasserflasche aus Plastik
benötigt man 4 Liter Trinkwasser.
Zur Herstellung meines Baumwollschlafanzuges
benötigt man 9000 Liter Trinkwasser.
Zur Herstellung von einem Kilogramm Wurst
benötigt man 12000 Liter Trinkwasser.
Zur Herstellung von einem Kilogramm Nutella
benötigt man 27000 Liter Trinkwasser
(siehe Stephen Emmott: „Zehn Milliarden“, Suhrkamp, 2013).
Ganz abgesehen von der Vernichtung der Arbeiter,
der Tropenwälder und der Weizenfelder.
Weizenfelder werden vernichtet,
um Viehfutterfelder zu errichten.
70% des Trinkwassers ist für die Bewässerung der Felder.
Mutter Erde weint nicht um sich selbst.
Sie weint um ihre Menschen, die sich vernichten.
Sie selbst wird irgendwann von Neuem beginnen.
Warum nur
denken unsere Politiker lieber europäisch als global?
Vielleicht planen sie bereits
einen Stacheldrahtzaun um Europa,
um Hunger-, Durst- und Klimaflüchtlinge abzuwehren.
Das verschweigen sie uns:
Wenn wir „reichen“ Europäer nur an uns Europäer denken,
schaden wir am meisten uns selbst.
Was tun?
Ist es schon längst zu spät?
Sollen wir verzweifeln angesichts der Menschheit,
die sich selbst ausrottet?
Sollen wir uns in den Konsum flüchten,
um wenigsten noch die nächste Legislaturperiode
zu überstehen?
Nein. Es gibt Hoffnung.
Wir können unseren Konsum drastisch reduzieren.
Und endlich einsehen:
Mutter Erde ist unsere Schwester.
Wir stehen in einem existentiellen Sinn-Zusammenhang
mit der Natur, in der wir leben.
Der Sinn der Umwelt
kommt aus dem Sinn unserer Innenwelt.
Umwelt atmet aus unserer Verantwortung.
Liebe zu mir selbst
und zu den nahen und fernen Menschen
mündet in liebevolle Fürsorge für Schwester Erde.
Auf einmal spüre ich:
Argentinisches Fleisch schmeckt nach Cherosin.
Plastik riecht nach Öl.
Und Luxus fühlt sich an wie ein aufgeblähter Bauch.
Und so gehe ich mit meinen Kindern hinaus in die Natur,
betaste die Rinde eines atmenden Baumes,
spüre Wind und Sonne auf der Haut,
genieße den Duft lebendigen Mutterbodens
und danke Schwester Erde.
Sonntags gibt es Braten und Obst aus der Region.
Und immer wenn es mir gelingt,
mich in einen Sinn-Zusammenhang
mit Schwester Erde und Schöpfer Gott zu stellen
und ich gerne 10 Liter Trinkwasser sparen will,
dann pinkle ich beim Duschen.
Freie Wahlen
Freie Wahlen
In Deutschland gibt es freie Wahlen.
Deutschland hat eine der freiheitlichsten, sozialsten
und demokratischsten Demokratien.
Alle Parteien und alle PolitikerInnen
stehen für die Menschenrechte, das Grundgesetz
und die unantastbare Würde jedes Einzelnen.
ALLE Politiker wollen,
dass jeder Deutsche
Trinkwasser, Nahrung, Kleidung
und ein Dach über dem Kopf hat,
krankenversichert ist und Bildung und Arbeit findet.
Alle Parteien und PolitikerInnen wollen,
dass in Deutschland der Wohlstand erhalten bleibt.
Wäre es anders, wäre eine solche Partei verboten.
Es wird auch nach der Wahl
alles grundsätzlich so bleiben, wie es ist.
Wäre es anders, wären die Wahlen verboten.
Gleichzeitig verhungert weltweit alle 5 Sekunden ein Kind.
Jährlich sterben weltweit 9 Millionen Menschen an Hunger.
Auch in Deutschland gibt es Menschen,
die verhungern und erfrieren.
Aber die große Mehrheit hat gewaltigen Wohlstand.
Und sinnlosen Luxus.
Zu einem hohen Preis.
Es ist gewalt-tätiger Wohlstand:
Wir brauchen Bodenschätze und vor allem Öl,
dafür müssen wir Kriege führen.
Wir verleihen armen Ländern Geld,
damit sie bei uns Waffen kaufen können.
Wir verkaufen an die eine Kriegspartei Giftgas
und an die andere Gasmasken,
an die eine Tretminen
und an die andere Beinprothesen.
Wir beuten die Erde aus und zerstören das Klima.
Wir können Luxus und Wohlstand in Deutschland nur bewahren,
wenn andere Menschen dafür sterben.
Würden wir alles gerecht verteilen wollen, müssten wir
auf sinnlosen Luxus und gewalt-tätigen Wohlstand verzichten
Das alles wissen alle PolitikerInnen.
Das alles spüren die Politikverdrossenen,
die Nichtwähler und die, die das „kleinere Übel“ wählen.
Bei den freien Wahlen in Deutschland geht es z.B. darum,
dass jeder von seiner Arbeit leben kann,
die Erzieherin, die Krankenschwester, der Straßenfeger,
der Politiker, der Bankdirektor, der Unternehmer und ich.
Es ist gelogen,
wenn der Unternehmer mit seiner Pleite droht,
weil er gerechte Löhne zahlen soll.
Es ist gelogen,
dass wir in Syrien und in Griechenland
den Menschen helfen wollen.
Es ist gelogen,
dass ständiges Wachstum Frieden bringt.
Der Politiker, der Bankdirektor, der Unternehmer und ich,
wir müssten einfach nur zufrieden sein mit dem,
was wir zum Leben brauchen:
Wasser, Nahrung, Kleidung und ein Dach über dem Kopf.
Und allen übrigen Wohlstand verteilen.
Bis niemand mehr hungert und durstet
Und es keine Kriege mehr gibt.
Nur ein naiver Traum???
Wahrscheinlich.
Aber es geht bei dieser freien Wahl
um MEINE Verantwortung,
nicht um die Rettung der Welt.
Wen soll ich wählen?
Ich kenne einen Politiker,
der will das, was er übrig hat teilen.
Der ist für Frieden, Gerechtigkeit
und die Bewahrung der Schöpfung.
Den wähle ich.
Ziemlich egal, in welcher Partei der ist,
die sind letztlich alle ziemlich gleich.
Ich nutze die Wahl,
um mich auf Dankbarkeit und Mitgefühl zu besinnen.
Ich will meinen übrigen Wohlstand teilen,
mit meinem nahen und fernen Nächsten.
Ich wähle den Politiker, der sich mit mir zusammen
dafür engagiert, dass andere ihren übrigen Wohlstand teilen
und auf sinnlosen Luxus verzichten.
Ich entscheide mich in freier Verantwortung für den,
der mit seinem gewaltigen Wohlstand zufrieden ist
und bereit ist, auf seinen gewalt-tätigen Wohlstand zu verzichten.
Alle anderen wähle ich nicht.
Wahres Selbst
Wahres Selbst
Menschen, die mit Kindern arbeiten und leben,
kennen zwei Wörter aus Kindermündern besonders gut:
„Haben will“ und „Alleine“.
Einfühlsame Eltern und ErzieherInnen
schaffen Kindern diesen Raum,
in dem diese ihre Bedürfnisse befriedigen können,
um ihr Ich zu finden und ihren Selbstwert zu entdecken.
Warum aber sind einfühlsame Begleiter so gerne bereit,
das Habenwollen und das Alleineschaffen
so liebevoll und so geduldig zu ermöglichen?
Zwei gute Gründe:
1. Es gibt eine pädagogische und entwicklungspsychologische
Notwendigkeit zur verantwortungsvollen Begleitung
bei diesem wichtigen Entwicklungsschritt.
2. Eltern und ErzieherInnen wollen Kindern ermöglichen,
wonach sie selbst sich sehnen:
Besitz und Autonomie.
Der zweite Grund verführt ein wenig dazu,
sich mit Kindern auf eine Stufe zu stellen.
Die strahlenden Kinderaugen,
wenn ein Kind etwas bekommen hat nach dem es sich sehnte
und es ganz alleine geschafft hat suggerieren,
dass Glück und Zufriedenheit
durch Besitz und Autonomie erreicht werden können.
Beides gilt allerdings in erster Linie für das kindliche Selbst.
Erwachsene Menschen spüren in der Mitte ihres Herzens
und wissen aus unzähligen Erfahrungen und Erlebnissen:
Um in einen Zustand
tief erfüllender Zufriedenheit zu kommen
und ihr wahres Selbst zum Ausdruck zu bringen,
müssen sie ihr kindliches Selbst aufgeben,
das an Besitz und Autonomie gekoppelt ist.
Verbundenheit mit unserem wahren Selbst,
das jedem Menschen inne wohnt,
bedeutet das liebevolle Loslassen all dessen,
das wir in selbstbefriedigender Absicht erworben haben:
Überzeugungen, Meinungen, Dogmen, Urteile und Ängste,
Wohnungen, Autos, Bankkonten, Öltanks und Tiefkühltruhen.
Und es geht dabei nicht um seelische und materille Verarmung,
es geht um die grundsätzliche Haltung des
„Haben, als hätten wir nicht“.
Wenn uns das gelingt,
zur Mitte unseres Herzens durchzudringen
und unser wahres Selbst zu entdecken,
finden wir eine tiefe Zufriedenheit,
die unabhängig ist von unerfüllten Bedürfnissen
und zukünftigen Befürchtungen.
Es ist die Versöhnung mit dem Hier und Jetzt.
In dem Moment,
in dem es uns gelingt,
uns ganz diesem einen Augenblick hinzugeben,
für einen Augenblick alles Besitzdenken
und alle Selbstverwirklichungsbestrebungen loszulassen,
geschieht das Wunder:
Wir empfinden Freude für die Beziehungen, in denen wir leben.
Wir empfinden Freude für den Ort, an dem wir uns befinden.
Wir empfinden Freude für die Arbeit, die wir tun dürfen.
Wir empfinden Freude beim Teilen unseres Besitzes
und unseres Lebens.
Wenn wir das Habenwollen und das Alleineschaffen
losgelassen haben,
beginnen wir, andere Menschen in den Blick zu nehmen.
Von sich selbst abzusehen
(nachdem wir als Kind unser Selbst gefunden haben)
und für andere Menschen da zu sein heißt,
sein wahres Selbst gefunden zu haben.
Ganz offensichtlich hat das wahre Selbst damit zu tun,
das wir das Empfangene verschenken.
Menschen, die ihr wahres Selbst leben,
sind Liebende.
Über-Zeugung
Überzeugung
Von vielen Dingen bin ich überzeugt,
(da bin ich ganz sicher):
Bayern hat den Supercup gegen Chelsea gewonnen.
In letzter Sekunde.
Sie hatten mal wieder Glück.
Es ist der 1. September.
Herbstanfang auf der nördlichen Halbkugel.
Frühlingsanfang auf der südlichen Halbkugel.
Es wird ein schöner Sonntag,
davon bin ich überzeugt.
Noch 121 Tage bis zum Jahresende.
Was wird noch alles geschehen?
Geburten, Beerdigungen, Hochzeiten.
Weihnachten wird wieder stattfinden,
davon bin ich überzeugt.
1. September.
Weltfriedenstag, seit 1966.
1. September 1939, Beginn des 2. Weltkrieges
durch Angriff der Wehrmacht auf Polen.
70 Millionen Tote weltweit.
1. September 2013
Zur Zeit 388 Kriege weltweit,
davon 38 hoch gewaltsame.
Amerika wird Syrien angreifen.
Die Nachrichten sagen mir, wovon ich überzeugt sein soll.
Immer schon.
Meistens glaube ich es.
Krieg ist eine Tragödie der menschlichen Natur.
Kriege sind unvermeidlich. Davon bin ich überzeugt.
Da werden Überzeugungen für Wahrheiten gehalten.
Es hat immer mit Rechthaben zu tun.
Krieg ist das gigantische Ins-Unrecht-Setzen eines anderen.
Beide Parteien sagen, dass sie helfen wollen,
verteidigen, beschützen,
Freiheit und Gerechtigkeit herstellen.
Davon bin ich nicht wirklich überzeugt.
Das sind doch auch Menschen, die Beschützer.
Menschen mit Überzeugungen. Und eigenen Interessen.
Bei Krieg geht es immer irgendwie um Mangel.
Es geht um die Verteilung von
Nahrung, Geld, Öl und anderen Rohstoffen.
Das Leben würde nicht funktionieren,
wenn alle gleich viel hätten.
Das ist ein naiver Traum,
davon bin ich überzeugt.
Kriege sind unvermeidlich.
Einer will immer gewinnen
und das geht nur, wenn der andere verliert.
Solange ich glaube, dass die da drüben wieder Krieg machen
und davon überzeugt bin, nichts damit zu tun zu haben,
habe ich sehr viel damit zu tun.
Und solange ich glaube, dass einer der beiden Kriegsgegner
im Recht ist Krieg zu machen,
bin ich einer der beiden Kriegsgegner
und mache mit meiner Überzeugung Krieg.
Wie aber komme ich raus aus dem Dilemma???
Ich könnte Verantwortung übernehmen,
für mein Leben und die Welt:
Ich könnte erkennen,
dass ich über-zeugt bin.
Zu viele Überzeugungen
sind in meinen Verstand hinein gezeugt worden.
Jetzt bin ich über-zeugt.
Jetzt findet Krieg in meinem Kopf statt.
Die meisten meiner Überzeugungen benutze ich
um zu gewinnen.
So, dass andere verlieren.
Ich will Recht haben mit meinen Überzeugungen
und andere ins Unrecht setzen.
Ich benutze meine Überzeugungen, um anzugreifen.
So, wie alle dort drüben.
So, wie alle in meiner Umgebung.
So, wie alle.
Nein, Krieg ist nicht unvermeidlich.
Ich kann Verantwortung übernehmen.
Aus meinem Verstand muss heute kein Angriff kommen.
Ich muss heute nicht unbedingt Recht haben müssen.
Ein wenig ängstlich, aber sanft und zugeneigt,
beginne ich zu lieben,
dass DU Recht haben könntest.