Fuffziger
Fuffziger
Stell Dir vor, Du Mensch,
Du bist ein Fuffziger,
ein 50-Euro-Schein.
Du bist schon durch viele Hände gegangen,
hast schon neben vielen anderen Scheinen
gesteckt oder gelegen.
Du hast schon viel erlebt,
hast Freude gemacht
und Schmerzen bereitet.
Bist verloren gegangen und gefunden worden.
Du hast Räume geöffnet
und Geschäfte erledigt.
Für Augenblicke
warst Du der ganze Ozean,
für andere der Tropfen auf den heißen Stein.
Oft warst Du das Zünglein an der Waage.
Du warst verehrt wie ein Juwel
und missachtet wie ein halbes Cent-Stück.
Man hat Dich geküsst und liebkost,
zerknüllt und getreten.
Du warst der Grund einer Vision,
das Medium einer Illusion,
die Hoffnung in der Dürre,
das Ende aller Träume.
Du hast Zinsen gebracht
und Entwertung provoziert.
Jetzt blickst Du zurück auf Dein Leben:
Du bist alt, faltig, beschmiert und eingerissen.
Gezeichnet von Ignoranz, Enttäuschung, Wut
und Schuldgefühlen.
In den tiefen Gräben Deiner Falten
die Kloake Deines Versagens,
Deines Scheitern und Deiner Wertlosigkeit.
Beim Blick in den Spiegel
die riesigen Balken des Kreuzes
angeordnet zu einem Fragezeichen:
Woher, Wozu, Wohin ???
Und noch während Du
von Tränen fast blind,
im Spiegel,
einen hellen Punkt
inmitten der Ruinen Deiner Angst fixierst,
hörst Du das sanfte Säuseln der Druckerpresse.
Das Hauchen dieser Gnade,
die Dich mit Druck-Wehen ins Leben gepresst hat.
Und da erkennst Du verschwommen
in diesem einen hellen Punkt
Deinen unauslöschbaren Stempel:
50
50 !!! – unauslöschbar.
DEIN unauslöschbarer Wert.
Von Beginn an.
Für immer.
Ganz egal, wie faltig Du bist,
egal wie tief Deine Gräben sind
und wie oft Du geknüllt und getreten wurdest.
Deine Zinsen, die Du gebracht hast sind unendlich größer
als die Rate der Inflation
und die Versuche Deiner Entwertung.
Im Trocknen der Tränen
wächst Dir die Demut der Dankbarkeit
für all die Momente,
die Dich an Dir haben zweifeln lassen.
Da geschieht das Wunder der Erfüllung,
in dem Du Dich selbst verausgaben möchtest
in unzähligen Gaben an die,
die ihren eigenen Wert
aus dem Blick verloren haben.
Das Wunder,
das Dir zudem immer wieder Lust macht,
Dich nicht mehr nur
aufteilend zu verschenken,
sondern Dich für Augenblicke ganz hinzugeben
an einen Menschen oder eine Aufgabe,
wissend,
dass der Augenblick,
in dem Du Dich ganz verschenkst,
niemals ein Opfer sein wird,
sondern der Augenblick,
in dem Dein Leben sich erfüllt.
Vergleich
Vergleich
Deutschland – Ghana: 2 : 2
Ausgleich nach Ausgeglichenheit.
Beide Mannschaften gleich gut.
Der Mensch vergleicht gern.
Das ist vielleicht manchmal hilfreich.
Meistens nicht.
Wir vergleichen
Partner,
Kolleginnen,
Chefs,
Freunde,
Geschwister,
Länder,
Regierungen,
Religionen,
Tage,
Jahre,
Urlaube,
Kunstwerke,
Sonnenuntergänge,
Gedanken
Gefühle,
Düfte,
Überzeugungen
und vieles andere mehr.
Dabei benutzen wir häufig die Endung „er“
als Steigerungsform.
Dann ist etwas oder jemand
wichtiger, klüger, schöner, besser, liebevoller, etc.
Vielleicht hilft Vergleichen manchmal.
Meistens nicht.
Wenn etwas oder jemand jetzt
wichtiger, klüger, schöner, besser oder liebevoller ist,
wird der oder das in der Vergangenheit Erlebte abgewertet.
Und wenn der oder das Vorherige
wichtiger, klüger, schöner, besser oder liebevoller war,
wird der oder das Jetzige abgewertet.
Vielleicht müssen wir auch Mannschaften nicht vergleichen.
Ghana hat eine wunderbare Fußballmannschaft.
Deutschland auch.
Beide wollten an diesem Abend ein Tor mehr schießen.
Vielleicht sollten wir überhaupt nicht vergleichen.
Könnte doch sein,
dass das Vergleichen
sehr viel Leid in die Welt bringt:
der bessere Partner,
die bessere Religion,
die bessere Überzeugung.
Bei jedem Vergleich geschieht
Rechthaben,
Besserwissen,
Abwerten,
Urteilen,
Trennen statt verbinden.
Wenn mein Partner unabhängig ist von meinem Vergleich,
(mit einem anderen oder ihm selbst vor ein paar Jahren)
ist es mein Partner, mein geliebter Partner.
Und das wird sich auf mein Verhalten auswirken.
Und auf unsere Beziehung.
Wenn meine Religion nicht mehr die einzige und beste sein muss,
wird das weltweit Frieden stiften.
Wenn meine Überzeugung eine von vielen ist,
wird es Verbundenheit geben statt Trennung.
Da wird Frieden sein und Weite.
Da öffnen sich die Räume der Möglichkeiten.
Scheint so,
dass das Vergleichen viel Leid in die Welt bringt.
Ich verspreche,
dass ich nicht mehr vergleichen will.
Ich werde auch meine gehaltenen
und nicht gehaltenen Versprechen nicht vergleichen.
Das verspreche ich.
Und mein Versprechen ist unumstößlich.
Solange, bis ich es breche.
Zeichen setzen
Zeichen setzen
Ich würd`so gern ein Zeichen setzen.
Oder mehrere.
Für Putin oder Obama,
für Josef Blatter von der FIFA,
für Neymar, den brasilianischen Superstar.
Manche von den Sportskameraden
auf dem eckigen Grün
verdienen 1000,-€ in der Sekunde.
All denen, für die ich so gern ein Zeichen setzen würde,
denen geht es doch nur um Geld, Macht und Ruhm.
Dafür verlieren andere
alles, was sie haben.
Sogar das Leben.
Es wird wirklich Zeit,
Zeichen zu setzen.
Ich hätte da ein paar gute Ideen.
Meine Verachtung für die Reichen
und mein Mitgefühl für die Armen,
lässt mich ganz kreativ Pläne schmieden,
um Zeichen zu setzen.
Aber welches Zeichen nehme ich nur?
Anführungszeichen?
Ausrufezeichen?
Fragezeichen?
Doppelpunkt?
Die Fliege,
die schon seit zehn Minuten
meinen Kopf umkreist
und sich immer wieder auf meinem Gesicht
niederlässt um da herum zu krabbeln,
sie nervt unerträglich.
Ich könnte sie töten.
Habe gerade eine wichtige Aufgabe zu erledigen.
Wir sollen uns die Schöpfung
untertan machen.
Soll sie doch zurück in ihre Slums,
sonst töte ich sie.
Halt! Stop! Nein! So geht das nicht!
Ich bin doch ein guter Mensch.
Ich appelliere an mein Mitgefühl:
Die arme Fliege.
Was braucht sie wohl?
Hat sie Hunger?
Sucht sie Berührung, Aufmerksamkeit, Liebe?
Ach, Quatsch.
Sie ist ja wohl ein Geschöpf niederen Ranges.
Und ich muss mich auf meine wichtige Aufgabe
Und so verharre ich lieber
in meinem selbstverliebten, wohlhabenden,
gierig machtgeilen Rassismus.
Inklusive Mitgefühl.
Da wird mir klar:
Armut, Krankheit, Hilflosigkeit und Angst
geht mir genauso auf die Nerven,
wie Reichtum, Gier, Macht und Ruhm.
Alles zusammen jeweils Anteile
von Putin, Obama, Blatter, Neymar und mir.
Und ich will nicht mehr,
dass Licht und Schatten
unentwegt in mir miteinander kämpfen.
Beide gehören zu mir.
Das habe ich heute Morgen
von meiner Fliege gelernt:
Ich darf hilflos sein mit Dingen,
die ich nicht ertrage.
UND Mitgefühl haben.
Jetzt muss ich lächeln
beim Kitzeln meiner Fliege.
Ich gebe ihr, was sie braucht.
Dann gehe ich wieder an meine Aufgabe.
Ich setze ein Zeichen.
Einen Bindestrich.
Wir sind verbunden.
Es ist ein Verbindestrich.
Ich verbinde das Bedürfnis der Fliege mit meinem.
Und da spüre ich die Not der Reichen. Meine Not:
Ich kann die Not der Armen und der Reichen
manchmal nicht mehr spüren.
sonntags
sonntags
Immer wieder sonntags…
kommt manchmal eine so merkwürdige Leere…
Was könnte ich tun,
denken, fühlen, lesen, schreiben, unternehmen ???
Erst wollte ich unbedingt raus aus dem Hamsterrad.
Dann sitze ich da vor dem Hamsterrad
und bin ganz unzufrieden.
Also suche ich mir ein neues Hamsterrad
für den Sonntag.
Oder freue mich auf Montag.
Ooooh, morgen, Montag, noch ein Feiertag…
Da fällt mein Blick auf die Pfingstrosen,
die auf dem Boden in einer Glasvase stehen.
Welch ein Anblick.
Welch ein Duft.
Ich knie mich hin zu ihnen.
Nehme eine Blüte zärtlich in meine Hand,
wie den Kopf einer kleinen Katze
und spüre schnuppernd
die Weichheit ihrer Blätter.
Da geschieht das Geheimnis,
das ich nicht erklären kann:
Die befürchtete Leere dieses Augenblicks,
ist prallvoll mit Leben,
meinem Leben und dem der Pfingstrose..
Das Leben der Pfingstrose
und mein Leben
verbinden sich.
DAS ist mein Leben.
Prallvoll mit Leben.
Keine Gedanken und Gefühle.
Keine Erinnerungen, Hoffnungen, Befürchtungen.
Keine Sehnsucht nach Lieben und Geliebtwerden.
Einfach nur das prallvolle Leben
mit dem, was jetzt gerade ist,
die Pfingstrose und ich.
Keine Ansprüche.
An niemanden.
Auch nicht an mich.
Nicht einmal der, leer sein zu wollen.
Oder pralle Fülle haben zu wollen.
Einfach nur sein.
Das Leben schmecken.
Mit allen Sinnen.
Oder einem.
Einer genügt, um pralle Fülle zu erleben.
Verbunden mit der Pfingstrose.
Für diesen Augenblick verbunden
mit der ganzen Schöpfung.
Dieser eine Augenblick praller Fülle.
Ohne ihn festhalten zu wollen.
Vielleicht hat der nächste Augenblick
auch die ganze Fülle prallvollen Lebens.
Fast automatisch greift meine Hand zum Kaffee.
Aber angeregt durch die Erfahrung
mit der Pfingstrose,
halte ich kurz inne
und erlebe Duft und Geschmack des Kaffees
und in ihm die prallvolle Fülle
prallvollen Lebens.
Erlebe, wie der prallvolle Augenblick
sanft hinüber gleitet
zum nächsten prallvollen Augenblick.
Erfüllt von dankbarer Leidenschaft dafür
nichts zu wollen
und alles zu sein.
Das Geheimnis:
In diesem Augenblick,
in dem ich nichts will,
geschieht die Gnade dieses Geschenks:
Mitgefühl, Dienst, Verpflichtung
und Gestaltung der Schöpfung
mit ihren Menschen, Tieren und Pfingstrosen.
In meiner Hingabe an die Pfingstrose
ist in meinem Nichtstun alles getan.
In meiner Hingabe an die Leere des Nichtstuns,
die ich nicht mehr überwinden will,
geschieht die pralle Fülle meines prallvollen Lebens.
Und mit der Würdigung des prallvollen Lebens
meiner Pfingstrose
geschieht die Würdigung meines prallvollen Lebens
und der ganzen Schöpfung.
Wünsche
Wünsche
Ich wünsche Dir
ein schönes, leichtes, sorgenfreies Leben,
mit Erbschaft, Lottogewinn, frühzeitiger Rente,
Ruhm und Ehre.
Mit gesunden Zähnen, schmerzfreier Verdauung
und faltenfreier Traumfigur.
All das in einem Haus am Meer,
in herrlicher Natur
da, wo immer die Sonne scheint.
Mit riesigem Weinkeller
und einer Yacht am eigenen Steg.
Im Haus
eine immerwährend harmonische Partnerschaft
und eine herzallerliebste Schwiegermutter
als Haushaltshilfe.
Ein Leben in seiner ganzen Fülle,
365 Tage Hängematte.
365 Tage Dauerlächeln,
365 Tage zehn Stück Schwarzwälder Kirsch täglich,
(unser heutiges Brot gib uns täglich),
For ever young.
Und irdisch-himmlisches Leben auf ewig.
Außerdem wünsche ich Dir
ein anstrengendes Leben
mit Verletzungen, Kränkungen, Konflikten,
Rückschlägen, Niederlagen, Misserfolgen.
Mit dem Geld, das Du jetzt gerade hast.
In dem Haus, in dem Du jetzt gerade lebst.
Mit Sonne, Regen, Schnee und Gewitter.
Mit Lach- und Sorgenfalten
in einer streitbaren Partnerschaft.
Das Leben in seiner ganzen Fülle,
in dem Du Dich verantwortlich vorbereitest
auf ein angstfreies Sterben.
Die Spinne, die Du nach draußen bringst,
das Trinkwasser, das Du sparst
und das Kind, das Du erziehst,
sie bringen Dein Mitgefühl in die Welt.
Verantwortliches Mitgefühl,
das den Kosmos erwärmt,
Frieden in die Welt bringt
und Dich selbst so erfüllt,
dass Du nicht mehr immer mehr
nach oberflächlichem Glück streben möchtest.
Ich wünsche Dir von Herzen kein leichtes Leben.