Fluch der Erkenntnis
Fluch der Erkenntnis
Zu allen Zeiten und in allen Kulturen
suchte der Mensch Vergewisserung
für das Woher, Wozu und Wohin.
Also schrieb er Schöpfungsberichte.
Da nahm Adam, der Mensch,
die Frucht vom Baum der Erkenntnis
aus der Hand des Weibes
und wusste fortan,
dass das Weib die Schuldige ist.
„Und Adam (der Mensch), erkannte sein Weib“.
Für viele Leser dieses Schöpfungsberichtes
ist diese Formulierung der Beginn
einer wunderschönen, dauerhaften Liebesbeziehung.
In Wirklichkeit beginnt hier,
mit dieser Erkenntnis,
mit dem Denken des Verstandes
und dem Aufbersten von saugenden Abgründen
die tödliche Abwärtsspirale,
das Tor zur Hölle.
Denn Adam, der Mensch,
nunmehr ausgestattet mit der Fähigkeit
zur Unterscheidung von Gut und Böse
fragt sich zitternd:
Ist Eva die richtige Wahl
oder muss ich weiter suchen?
Werde ich eine Aufgabe finden,
mit der ich eine Familie ernähren kann?
Werde ich meine Söhne so erziehen,
dass der eine nicht den anderen erschlägt?
Werde auch ich nachts aufstehen müssen,
um die Milch zu wärmen,
u.v.a.m.
Da wurde Adam gewahr,
dass er die gnadenlose Bodenlosigkeit
solch aufkeimender Fragen nicht würde ertragen können
und beschloss voller Selbstmitleid
den Acker zu pflügen,
um das Paradies zu joggen,
ein paar Bier zu trinken
und sich nach anderen Weibern umzuschauen.
Jedoch nichts von alledem half.
Adam erkannte:
Ich werde all diese Ängste nicht los.
In nichts gibt es endgültige Sicherheit,
weder in Beziehung,
noch in Bestimmung oder Berufung,
weder bei Erkenntnis, noch bei Überzeugung,
weder bei Gut und Böse,
noch bei Woher, Wozu, Wohin,
vor allem nicht bei Leben und Tod.
Adam, der Mensch, beschloss,
sich nicht vom nagenden Zweifel fressen zu lassen
und sich nicht von der Angst
in den schwarzen Schlund der Hölle ziehen zu lassen.
Adam gab auf.
Er ließ sich nieder
und ließ die Angst zu.
Adam wollte sich nicht mehr tyrannisieren lassen
von Erinnerungen und Befürchtungen
und dem Fluch seiner Erkenntnisse.
Da spürte Adam die Angst als Gefühl.
Und während Adam, der Mensch,
seine Angst erlebte,
indem er achtsam in sich hineinspürte
ohne sich zu wehren
und ohne die Angst zu bekämpfen,
geschah ihm das Wunder
der Gleichzeitigkeit
von Zulassen und Loslassen.
In dieser Gleichzeitigkeit
von Zulassen und Loslassen
erlöste sich der Fluch der Erkenntnis
und öffnete das Tor zum Himmel:
die Öffnung des Herzens
von Adam, dem Menschen.
Da erfühlte Adam, der Mensch, sein Weib,
mit allen Sinnen
und berührte ihre Seele.
Und siehe, es war gut.
Und ist gut.
Aus der zugelassenen und nicht mehr bekämpften Angst,
ward die Hoffnung der Gegenwart.
Und da erlebt und erfährt Adam, der Mensch,
dass das Paradies nicht verloren ist
sondern, dass das Paradies immer und überall da ist,
wo Menschen einander berühren.
Scheitern
Scheitern
Der Mensch muss sich Ziele setzen,
wenn das Leben gelingen soll.
Er muss wissen, wie Sinn verwirklicht werden kann.
Muss verstehen,
wie Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit gelingt
und wie Glück und Liebe gelebt wird.
Dabei muss er eine Balance finden
von Freundschaft und Selbstfreundschaft,
muss sich verstehen als ein Teil der Vielheit
von 350 Milliarden Kilogramm Menschen
und der unteilbaren Einzigartigkeit
unter den eigenen zwei Quadratmetern Haut.
Innerhalb des Rahmens von Erstrebenswertem,
darf der Mensch aber nicht die wichtigen Ziele
vernachlässigen:
Bewegen und gesund ernähren.
Körpergewicht halten oder reduzieren.
Fröhlich Überstunden machen.
Blumen mitbringen und Kuchen backen.
Freundlich sein, treu und zuverlässig.
Ehrlich sein bei der Steuererklärung.
Aufopferungsvoll lieben.
Und immer dankbar sein.
Wenn der Mensch all diese Dinge
als hilfreich, sinnstiftend und not-wendig erkennt,
gelangt er automatisch zur richtigen Reihenfolge
der Schritte 8, 6, 1 oder 7.
Dann wird er
versuchen, all das als wichtig Erkannte
zu praktizieren und zu realisieren
um sich
6 A.
immer weiter zu entwickeln,
in Allem immer besser werden zu wollen
und um immer mehr Menschen zu finden,
denen er es recht machen kann
um dann
6 B.
nicht mehr nur müssen zu sollen
sondern auch wollen zu müssen.
Dann wird der Mensch eines Tages
zufrieden die Augen schließen,
weil er endlich das hinreichend richtige System
für seine persönliche Lebenshilfe gefunden hat.
Und
beschließen,
nun auch im Sarg
die richtige Richtung einzuschlagen.
1A.
Da erwacht der Mensch aus seiner Illusion.
Er erkennt die Ohnmacht Gottes am Kreuz.
Und erblickt die sanfte Güte
von Abrahams Schoß.
Da sitzen sie alle,
die Mühseligen und Beladenen,
die Untreuen, die Halbherzigen und die Ausgebrannten,
die Süchtigen, die Armen und die Kranken,
die Huren, die Freier, die Gierigen und die Frommen,
die Überforderten, Hilflosen und Ohnmächtigen,
die Besserwisser und Rechthaber,
die Lügner, Betrüger, Fresser und Säufer.
Sie alle breiten die Arme aus
in der ewig-gegenwärtiger Ruhe des Friedens
und nehmen den Menschen auf,
ganz so, wie er ist.
Da umhüllt und erfüllt den Menschen
das Glück und der Sinn des Scheiterns
und er erkennt, dass
1 B.
sogar die Zielstrebigen
mit dem perfekten Lebenshilfeplan
eingeladen sind.
Herbst
Herbst
Neulich in einer Kita habe ich ein Kind beobachtet,
das versucht hat,
die herunter gefallenen Herbstblätter wieder anzukleben.
Irgendwie hat das meiner Gefühlslage entsprochen.
Es tut so weh, Abschied zu nehmen.
Manche Menschen bringen die beste Freundin
bis zum Parkplatz vor dem Bahnhof.
Andere bis zum Haupteingang.
Wieder andere helfen der Freundin
einen guten Platz im Abteil zu finden.
Dann gibt es noch die Menschen, die weinend winken,
bis der Zug am Horizont verschwunden ist.
Sie sagen mir immer,
Abschiede würden Türen öffnen.
Aber es gibt diese Tage, da mag ich keine Türen.
Jedes Mal, wenn ich vor einer Türe stehe,
muss ich einen Raum verlassen
oder jemand lässt mich alleine zurück:
Partner verlassen meinen Beziehungsraum,
Kinder verlassen die Wohnung,
Dienstgeber wollen es ohne mich versuchen,
Vermieter zerstören meine Heimat.
Wenn ich das gemütliche Wohnzimmer verlasse,
erwartet mich im Bad ein Spiegelbild mit neuen Falten.
Es ist Herbst.
Meine Blätter fallen.
Keiner klebt sie mir wieder an.
Bald verlasse ich endgültig den Raum des Lebens.
Da bleibe ich lieber stehen, vor der Tür,
um bittere Tränen zu weinen.
Sie sagen mir immer,
meine gefallenen Blätter würden fruchtbaren Kompost bilden.
Aber in der Wirklichkeit
kommen immer mehr dieser fürsorglichen Nachbarn,
um mit ihrem Kompost meinen verwilderten Garten zu düngen.
Da bleibe ich lieber vor der Tür stehen,
um meine eigenen bitteren Tränen zu weinen.
Und manchmal,
wenn ich so da stehe, vor der Tür
und meinen Tränen freien Lauf lasse,
verfängt sich eine dieser Tränen
in einer dieser Falten neben meinem Mund
und ich nehme sie mit der Zunge auf.
Und da geschieht dann manchmal das Wunder:
Diese Träne ist so zuckersüß,
wie das süßeste Dessert nach einer wundervollen Mahlzeit.
Und da verstehe ich:
Die Bitterkeit meiner Tränen
kommt von meinen Gedanken über meine Tränen.
Von meiner Angst,
Von meinen Bewertungen und Verurteilungen.
Von meinem Besitzanspruch.
Davon, dass ich Menschen und Situationen
manipulieren will,
weil ich Vergangenes oder Bewährtes bewahren möchte,
die Wirklichkeit der Gegenwart bekämpfe
oder die Angst vor Veränderung nicht ertrage.
Ich ahne:
Die Wirklichkeit IST nicht bitter.
Meine Tränen SIND nicht bitter.
Es sind meine Gedanken
über die Wirklichkeit und meine Tränen.
Ich werde nicht mehr versuchen
abgefallene Blätter wieder anzukleben.
Ich werde lernen, den Duft des Komposts zu genießen,
aus dem das gute Neue wachsen will.
Es ist die süße Melancholie des Herbstes.
Wenn wir die Süße unserer Tränen schmecken,
sind wir auf dem Weg zu unserer inneren Mitte,
auf dem Weg zur Fülle des Hier und Jetzt.
Wir müssen die Tür nicht eintreten
und nicht in Lähmung vor ihr verharren.
Wenn wir unsere süßen Tränen loslassen spüren wir,
dass die innigste Form des Liebens das Loslassen ist.
Wir dürfen uns öffnen für den Herbst
mit seinen süßen Tränen.
Und wenn wir die vielen kleinen Abschiede
akzeptieren und liebevoll üben,
werden sich sanft schwebend Türen öffnen,
zu Räumen voller zauberhafter Schätze und Geschenke.
Und wenn wir all diese Geschenke auspacken,
wird auch der letzte süße Abschied
zu einem Neubeginn,
bei dem wir uns dann endgültig getragen wissen.
Himmlische Liebe
Himmlische Liebe
Der Mensch,
der die himmlische Liebe
weder für rein romantisch, noch unrealistisch religiös,
noch übertrieben kitschig hält,
sehnt sich nach ihr,
sucht in ihr anhaltend vollkommenes Glück
und glückselige Erfüllung.
Und fragt sich,
warum die Liebe so oft
mit so viel Leid verbunden sein muss.
Da kann es vielleicht helfen,
die Liebe zunächst
nach ihren Arten zu unterscheiden,
bevor man diese wieder zusammenführt.
Es gibt mindestens drei Arten,
die sich auch immer wieder vermischen:
Agape, Philia und Eros.
Agape
ist die wohlwollende Liebe.
Sie kann sich fürsorglich dienend
und selbstlos hingebend verschenken
an Nächste und Fernste, Gott und die Welt.
Philia
ist die freundschaftliche Liebe.
Sie ist geprägt
von gegenseitigem Verstehen und Anerkennen
und von gegenseitigem Empfangen und Gewähren
von Freiheit in tiefer Verbundenheit.
Eros
ist die sinnliche Paarliebe.
Sie ist erfüllt von leidenschaftlichem Begehren
und von der Gleichzeitigkeit von
Lieben und Geliebtwerdenwollen.
Das Leiden in Paarbeziehungen
erscheint immer dann,
wenn das Geliebtwerdenwollen größer ist
als das Lieben.
Der Mensch,
der sich auf Selbstfreundschaft und Selbstliebe besinnt,
wird sich ohne Einfordern von Geliebtwerden
als vollkommen erleben
und sein Lieben und sein Glück teilen wollen.
Der Mensch,
der sich ohne den anderen als unvollständig erlebt,
wird vom Partner sein Glück erwarten und einfordern
und dabei immer enttäuscht werden.
Dieser Mensch wird sich aufopfern,
um das Geliebtwerden von seinem Partner zu erzwingen
und dabei sich selbst verlieren.
Für dieses Aufopfern
wird er den Partner verantwortlich machen,
ihn schuldig sprechen, verurteilen und ihn hassen.
Dann wird er verlassen werden oder sich trennen
und sein Geliebtwerdenwollen
bei einem anderen suchen.
SO ist die Paarbeziehung eine Illusion von Liebe.
In ihr ist das Schenken immer verbunden
mit der Forderung, etwas zurück zu bekommen.
Ganz besonders bei der sinnlichen „Liebe“.
Wenn es Leiden macht, ist es nicht Liebe.
Liebe macht kein Leiden.
So oder ähnlich müsste der Mensch denken und fühlen
bevor er sich verliebt oder auf Beziehung einlässt:
Ich liebe mich und bin mein bester Freund.
Und ich brauche Deine Liebe nicht,
um vollständig zu werden.
Aber ich brauche DICH
um Dich lieben zu dürfen.
Und wenn es Dir auch so geht,
lass uns miteinander einander lieben.
In diesem Augenblick hebt sich der Unterschied
zwischen Agape, Philia und Eros auf
und der Sinn der Beziehung wird im Zusammenhang
dieser drei Arten der Liebe erlebt.
Sinn und Zweck
einer erfüllten Paarbeziehung kann der sein,
dass der Mensch, der Glück und Liebe
in sich gefunden hat,
diese mit einem anderen,
der Glück und Liebe in sich gefunden hat, teilen will.
Diese beiden werden wollen,
dass ihr gemeinsames Glück und ihre Liebe
sich in die Welt hinaus dehnen,
um dort Freude, Frieden und Wahrheit zu verbreiten
und andere Menschen glücklich zu machen.
Nichts anderes
lässt den Himmel auf Erden
in Freude, Frieden und Wahrheit mehr strahlen,
als wenn zwei, die sich selbst lieben,
ihre gemeinsame Liebe füreinander,
im Zusammenspiel von Agape, Philia und Eros,
an andere verschenken.