Hinhaltung
Hinhaltung
Was eigentlich hat Advent mit Liebe zu tun?
Womöglich mehr, als wir erhoffen.
Advent heißt Erwartung und Ankunft.
Und die Liebe möchte erwartet werden.
Und ankommen dürfen.
Die Liebesbeziehung
ist der wunderschönste Ort,
um sich auf einen spirituellen Weg zu begeben
und in ihr die Ankunft der Liebe zu erwarten.
(deswegen gibt es immer wieder Menschen,
die das Glück in der Liebesbeziehung suchen).
Gleichzeitig ist die Liebesbeziehung
der sicherste Ort, an dem es garantiert
die größtmöglichen emotionalen Schmerzen gibt.
(deswegen gibt es immer wieder Menschen,
die resigniert das Glück im Single-Dasein suchen).
Manche Paare
haben miteinander so viele Konflikte,
dass sie sich gegenseitig zum Wahnsinn treiben.
Manche Paare glauben,
dass man sich nur genug vorwerfen muss,
um Klarheit zu bekommen.
Um den Vorwurf zu verbildlichen,
könnten wir ihn uns vorstellen,
wie einen kleinen Ball.
Um diesen Ball vorzuwerfen,
müssen wir ihn in die Faust nehmen und schleudern.
Alles aber,
was wir in die Faust nehmen und schleudern,
hat mit Gewalt zu tun. Und mit Verletzung.
Stattdessen
könnten wir es mit einer Vorhaltung probieren.
Wir legen den Ball/Vorwurf
(Du hörst mir nicht zu)
auf die offene, ausgestreckte Hand.
Dann weiß der Partner,
dass es sich bei dieser Vorhaltung
um eine Selbstoffenbarung/Projektion handelt
(Ich höre Dir nicht zu).
Das Problem:
Beim Vorwurf verurteile ich den Partner.
Bei der Vorhaltung verurteile ich mich selbst.
Was bleibt?
Es bleibt die Erkenntnis,
dass wir Vorwürfe und Vorhaltungen
letztlich allein dafür einsetzen,
dass wir glücklich gemacht werden.
Und immer dann,
wenn wir glücklich gemacht werden wollen,
erwarten wir vom Partner,
dass der eine Lücke füllt,
die andere hinterlassen haben.
Dann tyrannisieren wir diesen Partner
mit unserer Sehnsucht nach Geliebtwerden.
Es gibt allerdings
nur eine einzige Funktion
und nur einen einzigen Grund
für eine Liebesbeziehung:
Glücklich zu machen !
(und nicht gemacht zu werden).
Bleibt dies:
Du öffnest die Faust.
Dann kullert der Ball
von der ausgestreckten Hand.
Diese nach oben offene, ausgestreckte Hand,
will weder etwas darreichen,
noch etwas bekommen.
Sie ist nach oben geöffnet.
Von oben, aus dem Herzen, kommen
Freude, Frieden und Liebe.
Das ist eine Aufhaltung.
Freude, Frieden und Liebe,
die Du unausrottbar und unverlierbar
in Deinem Herzen trägst,
fallen in Deine offene Hand.
In dieser Aufhaltung geschieht Advent.
Immer dann, wenn Du nichts bekommen
und nichts geben willst
und Dich im adventlichen Zustand
der Aufhaltung befindest,
strahlt die von Deinem Herzen gefüllte Hand
zurück in Dein Herz.
Und dann wird aus Deiner Aufhaltung
ganz automatisch
eine herzliche Hin–Haltung.
Erfüllt
Erfüllt
Nehmen wir an,
wir hätten nur noch dieses Jahr zu leben.
Das wären 39 Tage.
Da würde ich gern noch etwas Besonderes
erleben, erschaffen, erkennen.
Etwas Besonderes hinterlassen.
Etwas Großes bewirken.
Etwas in Ordnung bringen.
Auf jeden Fall aber 39 Tage lang
heiter, gelassen, glücklich und zufrieden sein.
Nein, das würde mir nicht genügen.
Ich würde gern in meinen letzten Tagen
ganz tief und umfassend erfüllt sein.
Wie geht das?
Was würde ich tun oder lassen?
Vielleicht sollte es mit Meer, Schnee, neuen Schuhen,
Ferrari, Champagner oder Pralinen zu tun haben ?
Vielleicht erfülle ich mir die Sehnsucht nach
Tanzen, Spielen, Feiern oder barfuß im Regen lachen ?
Vielleicht gönne ich mir endlich Ruhe
beim Spazieren, Meditieren, Fernsehen,
oder Lesen vor dem Mittagsschlaf ?
Vielleicht nehme ich mir mehr Zeit für
Partner, Kinder, Eltern oder Freunde ?
Ich glaube, ich würde in diesen 39 Tagen
ein paar Mal jemanden glücklich machen wollen
durch Mitfühlen, Verstehen, Helfen oder Trösten
(ohne Egoismus, Rechthaberei und Unachtsamkeit).
Auf jeden Fall würde ich gut darauf achten,
dass ich in diesen 39 Tagen
niemanden zum Weinen bringe.
Und ich wüsste ziemlich genau,
was ich sein lassen und nicht mehr tun würde:
zur Arbeit gehen, Steuern erklären,
Verträge und Versicherungen abschließen,
Faltencremes kaufen, Sommerreifen lagern,
Tapeten wechseln, Keller entmisten,
Putzen und Aufräumen.
So oder irgendwie anders
wäre ich vielleicht
heiter, gelassen, glücklich und zufrieden.
Aber ich will doch in meinen letzten 39 Tagen
ganz tief und umfassend erfüllt sein…
Was ist mit dem ganzen Druck von
Hinterlassen, Bewirken, Erschaffen, Erleben, Erkennen
und in Ordnung bringen ???
Da fällt mein Blick zur Garderobe,
dorthin, wo meine Jacke hängt.
Mein Herz beginnt, etwas schneller zu klopfen.
Ich will meine Arbeit beenden,
dann den Tisch aufräumen.
Dann nehme ich eine Packung Pralinen
und mein Telefon.
Und Brot für die Pferde.
Ich schaue dankbar zurück
auf all das Schwere und all das Schöne.
Am Telefon will ich jemandem
ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.
Dann gehe ich mit einem guten Buch
zum Mittagsschlaf,
freue mich auf ein gutes Gespräch
und den Tatort.
Das fühlt sich
heiter, gelassen, glücklich und zufrieden an.
Wie eine gute Idee
für den ersten von 39 Tagen.
Und wenn ich da so hinein spüre
in mein heiter-gelassenes Glücklich- und Zufriedensein,
bin ich ganz erfüllt vom Erfülltsein.
Und will nicht mehr als das
erschaffen, erleben und erkennen,
hinterlassen, bewirken und in Ordnung bringen
als das,
was ich jetzt gerade erschaffe, erlebe und erkenne,
hinterlasse, bewirke und in Ordnung bringe.
Und spüre in Frieden,
wie Erfülltsein mich erfüllt.
Für weitere 3900 Tage ungefähr.
Oder diesen einen.
Augenhöhe
Augenhöhe
Lebkuchen gibt es ja auch schon seit August.
Ach lass sie doch…
Advent, Weihnachten, Tod und Auferstehung
gibt es ja auch jeden Tag.
Na dann – können wir auch schon mal über
Schneeflocken sprechen:
Schneeflocke kommt vom Himmel.
Schwebt ihren Weg.
Fällt hinein in die Gemeinschaft mit anderen.
Erleuchtet in Stille die Welt.
Stirbt in Frieden
und stillt in verwandelter Seinsweise den Durst anderer.
Schneeflocke schwebt mit dem Himmel
aus dem Himmel,
in vollkommender Akzeptanz dessen, was ist.
Schneeflocke tut nichts,
will nichts, fordert nichts,
will nichts bewirken.
Schwebt in Gegenwärtigkeit
und landet in Augenhöhe.
Schneeflocke
fragt weder nach Herkunft noch nach Ankunft,
auch nicht nach Art und Weise
von Start, Flug und Landung.
Schneeflocke sucht weder Zufriedenheit noch Frieden.
Weil sie in Zufriedenheit und Frieden schwebt.
Sie schwebt in der Gewissheit,
dass sie nicht tiefer fallen kann,
als in Augenhöhe.
Du kannst bei Schneeflocke
Deinen Namen einsetzen.
Oder den von irgendjemand oder irgendetwas.
Du und jemand oder etwas,
Ihr kommt vom Himmel,
schwebt Euren Weg
gleitet in Gemeinschaft
und lebt und sterbt in der Augenhöhe,
die den Durst anderer stillt.
Und statt bei Schneeflocke
Deinen Namen einzusetzen,
könntest Du auch die Verbundenheit mit ihr spüren.
Dann spürst Du Deine Verbundenheit
mit allem und jedem.
Und dann ist jedes Urteil,
jedes Wollen und Bewirken,
jedes Rechthaben und Besserwissen
aufgehoben und aufgelöst.
Weil Du auf Augenhöhe bist.
Im sanft getragenen Schweben
gibt es nichts zu tun.
Nicht, weil es Dir egal wäre
oder Du zu träge wärest,
sondern weil im getragenen Schweben
alles getan ist.
Du, Dein Partner, Deine Kinder, Deine Eltern,
Deine Freunde, Bekannte und Kollegen,
Ihr schwebt in Augenhöhe,
in liebevoll-schneeflockiger Akzeptanz.
Wenn Du
in dieser schwebenden Gegenwärtigkeit lebst,
verbunden mit der großen, atmenden Stille,
lösen sich Unfrieden und Unzufriedenheit auf
und verwandeln sich in den Frieden
der Augenhöhe.
Dieser Frieden der Augenhöhe
gilt auch für jeden Regentropfen,
jede Wolke und jeden Wind,
jeden Gedanken und jedes Gefühl,
jede Pflanze, jedes Tier und jeden Menschen,
der Dir als nächster begegnet.
Im aufgelösten und versöhnten Widerstand
spürst Du mit Deinem Frieden
den Frieden des anderen.
Und darin die Freude,
die von der Liebe kommt.
Und in ihr das sanft getragene Schweben
mit dem, dessen Frieden höher ist
als Vernunft und Verstand
und der mit Dir auf Augenhöhe
in die Gemeinschaft gleitet,
während er Dich gleichzeitig trägt,
durch Dich die Stille leuchten lässt,
Deinen Durst stillt
und mit ihm den anderer,
sodass allein die Gegenwärtigkeit bleibt,
mit der Du in den nächsten Augenblick schwebst.
Welt retten
Welt retten
Ich muss noch schnell die Welt retten.
Ja, wie das denn?
Wo doch alles immer schlimmer wird!
Vielleicht hat Erich Fromm recht:
wir müssten vom Haben zum Sein gelangen.
Also:
Ich habe ein Dach über dem Kopf,
genug zu essen, einen warmen Mantel.
Also bin ich ein Behauster, Gesättigter, Gewärmter
Und wir könnten ein wenig mehr St. Martin sein,
etwas mehr Sein als Haben.
Ein wenig mehr teilen.
Aber irgendwie wirkt das wie Moraldruck
gegen das schlechte Gewissen.
Vielleicht können wir von St. Martin lernen,
was er nicht war, hatte oder tat:
St. Martin wollte nicht die Welt retten.
Er hat sich nicht den Kopf zerbrochen,
ob er nach dem Teilen des Mantels frieren wird.
Oder ob der Obdachlose
mit dem halben Mantel immer noch friert.
St. Martin hat auch nicht sein Sein
durch sein Haben, Teilen und Tun definiert
(Ich bin ein sozialer Mantelteiler).
Er hat sich auch nicht den Kopf zerbrochen,
wie er glücklich sein und machen kann.
St. Martin kam angeritten,
hat seinen Mantel geteilt
und ist weiter geritten.
Das ist Akzeptanz in Vollendung.
Es ist, wie es ist.
Mit einiger Sicherheit
ist mehr Sein sinnvoller als mehr Haben.
Aber eher so:
Ich bin nicht
Behauster, Gesättigter und Gewärmter.
Und ich bin nicht
Kind, Elternteil, Partner, Freund oder Berufstätiger.
Wenn das so wäre,
verlöre ich meine Identität und mein Sein,
wenn ich eines davon nicht mehr hätte.
Wenn ich die Eltern, das Kind, den Partner,
den Freund oder den Beruf
verliere oder verlassen werde,
bin ich nicht ein Verlorener oder Verlassener.
Was ich allerdings immer sein kann ist der,
der seine Zufriedenheit
aus Akzeptanz bezieht
und damit Verantwortung
für sein Wohlbefinden wahrnimmt,
indem er sich als Verursacher seines Befindens versteht.
Bleibt wohl dies:
Ich will alles so haben, als hätte ich es nicht.
Denn:
Ich bin vollständig so, wie ich bin.
Auch ohne Eltern, Kind, Partner, Freund und Beruf.
Wir können nicht Haben oder Sein,
wenn wir nicht bereit sind,
all das auch nicht zu haben oder zu sein.
Eher sogar dies:
Wir werden sogar all das verlieren,
was wir nicht bereit sind nicht zu haben
oder zu teilen.
Vielleicht ist dies liebende Akzeptanz:
Wenn wir ALLES teilen,
Zärtlichkeit, Aufrichtigkeit, Liebe, Haben und Sein,
könnte es geschehen,
dass wir zufrieden und glücklich sind.
Wahrscheinlich sogar mehr,
als wenn wir es ganz und gar für uns
hätten oder wären.
Und wenn das wahr ist
(und einiges spricht dafür),
könnte es geschehen,
dass uns mit dem halben Mantel
genau so warm ist, wie mit dem ganzen.
Weil Teilen beide wärmt.
Vielleicht ist dies die Akzeptanz,
die mich und andere glücklich macht:
Ich komme angeritten, teile und reite weiter.
Und in dem Moment, in dem ich aufhöre,
mit dieser Akzeptanz von Haben und Sein
die Welt retten und erlösen zu wollen,
kann das Wunder geschehen,
dass damit die Welt gerettet und erlöst wird.
Einzigartig
Einzigartig
Das hat bestimmt schon einmal jemand zu Dir gesagt:
„Du bist einzigartig“.
Und es tut gut, das zu hören,
ein schönes Kompliment.
Aber das ist nicht einfach nur ein Kompliment.
Es ist die objektive Wahrheit:
Es gibt Deinen Fingerabdruck nur einmal
unter sieben Milliarden Menschen.
Du bist einzigartig.
Hast Du das in seiner ganzen Tragweite schon
realisiert, verstanden, erfahren und erlebt?
Du bist einmalig einzigartig.
Wenn Du Dich einen Augenblick lang
auf diese objektive Wahrheit besinnst,
wird Dir vermutlich
ein kleiner Schauer der Erleuchtung
den Rücken hinunter rieseln.
Du liest diesen Text.
Und es gibt nur diese eine Person,
in dieser einen Situation, an diesem Ort,
in diesem einmaligen Augenblick, die diesen Text liest.
Niemand sonst
im gesamten Universum
sitzt in diesem Augenblick
auf diesem Stuhl, in diesem Haus
und versteht diesen Text so, wie Du.
Damit bist Du einzigartig.
Diese Erkenntnis könnte Dich berühren und bewegen.
Es könnte Verantwortung oder Dankbarkeit daraus erwachsen.
Oder Verantwortung UND Dankbarkeit.
Die Einzigartigkeit
Deiner Verantwortung und Dankbarkeit
für Deine Einzigartigkeit, könnte
Verantwortung und Dankbarkeit
in die Welt hinaus strahlen.
Die Dankbarkeit
für Deine Einzigartigkeit könnte bewirken,
dass Du im Frieden ruhst
und diesen Frieden in die Welt trägst.
Die Verantwortung für Deine Einzigartigkeit
könnte bewirken,
dass Du den nächsten Augenblick,
die nächste Situation, die nächste Begegnung
so gestaltest, dass Du
Verantwortung und Dankbarkeit
in die Welt hinaus strahlst.
Es wird einzigartig sein.
und egal, was Du tust oder lässt,
es wird die Welt bewegen, das ganze Universum.
Und ob Du die Gestaltung
Deiner einzigartigen
Verantwortung und Dankbarkeit
als Druck empfindest oder als Freiheit,
das entscheidest allein Du, einzigartig.
Du musst das nicht glauben oder verstehen:
Deine Einzigartigkeit
ist so einmalig, unverwechselbar, vollkommen einzigartig,
dass Du keine mühsame Verantwortung tragen musst,
weder für Dich, noch für andere.
So, wie Du jetzt gerade da bist,
strahlt Deine Einzigartigkeit in die Welt
und bewegt und berührt das ganze Universum.
Das musst Du nicht glauben oder verstehen.
Das ist so.
Warum ist das so?
Du bist mit Deiner Einzigartigkeit
so geschaffen worden,
dass Du die Liebe,
die das ganze Universum zusammenhält,
in jedem Augenblick,
in jeder Situation und an jedem Ort,
immer bei Dir hast.
Da kannst Du nichts machen.
Du kannst es nicht verhindern.
Egal, was Du tust oder lässt.
Nein, das ist nicht die romantische Liebe.
Es ist die Liebe, die trennt und verbindet,
unabhängig von Deinem Tun oder lassen.
Ja, das ist fremdbestimmt.
Die Liebe strahlt Deine Einzigartigkeit hinaus
und erleuchtet die Welt.
Da kann es leicht geschehen,
dass Dir ein kleiner Schauer der Erleuchtung
den Rücken hinunter rieselt.