Archiv | Dezember 2015

Zwischenräume

Zwischenräume

 

Wir Menschen befinden uns zur Zeit

„zwischen den Jahren“

und stellen fest:

irgendwie sind wir immer irgendwie dazwischen.

Dabei fragen wir uns, ob es Sinn machen könnte,

die Zwischenräume sinnvoll zu definieren,

z.B. so, oder ähnlich:

 

Zwischen der ersten und der zweiten Halbzeit

ist Tee trinken und Kraft sammeln.

Zwischen Streit und Versöhnung

ist die Beziehungsklärung.

Zwischen den Stühlen

ist das Ringen um Balance.

Zwischen Innen und Außen

ist Selbstfürsorge und Fürsorge.

Zwischen Vergangenheit und Zukunft

ist die Gegenwart.

Zwischen Geburt und Tod

ist das Leben.

 

Und so können wir leicht erkennen:

Zwischenräume sind Chancen,

wir müssen uns nicht eingeklemmt

und gefangen fühlen.

 

Zwischenräume sind Spielräume,

in denen wir lernen können,

was zu tun und zu lassen ist,

beim Arbeiten und beim Lieben,

damit wir unsere einzigartige Bestimmung

so leben können,

dass wir froh und glücklich sind.

 

Dieses Lernen sollte allerdings

nicht ausschließlich erfolgsorientiert sein

so, als müssten wir unbedingt zielorientiert

irgendwelche politischen, ethischen

oder religiösen Dogmen realisieren.

 

Der Zwischenraum,

der ein Spielraum ist,

ist ein Raum des Geschehenlassens.

 

So, wie es ein Kind

beim Malen, Bauen und Spielen zulässt,

dass ganz von alleine

etwas Sinnvolles geschieht,

können Erwachsene Zwischenräume

spielerisch zum Geschehenlassen nutzen,

dem Nicht-Tun,

in dem alles getan ist.

Und im Zulassen, dass Sinnvolles geschieht.

 

Kein gesunder Mensch würde sagen:

„Ich muss dringend etwas Sinnvolles tun,

da, direkt vor meinen Augen befindet sich Sauerstoff,

ich werde jetzt atmen und meine Lungen füllen,

um weiterhin gut leben zu können.

 

Stattdessen ist dies

die Wirklichkeit menschlichen Seins:

 

ES atmet mich.

 

Absichtslos und achtsam gegenwärtig

stelle ich fest:

ES atmet mich.

Das Leben will, dass ich lebe.

 

In be-sinn-licher Stille

und meditativer Gleich-Gültigkeit

erlebe ich die Freude und die Dankbarkeit

des Geschehenlassens:

Das Leben lebt mein Leben.

Und das Leben liebt mein Leben.

 

Das Leben schenkt mir

das Geschehenlassen

in Zwischenräumen, die Spielräume sind,

zwischen den Jahren,

zwischen zwei Menschen,

zwischen gestern und morgen,

zwischen Geburt und Tod.

 

Wir haben es bereits hundertfach erlebt:

In Zwischenräumen

geschieht das Heilsame.

 

Mensch kann das nicht machen.

 

Und mit der Liebe

ist es wie mit dem Atmen:

sie ereignet sich.

 

Vielleicht findet sich beim Jahreswechsel

ein Licht am Himmel,

das unsere Augen, Herzen und Hände öffnet,

für das neue Lebensjahr.

 

 

Engelsdüfte

Engelsdüfte

 

Das ganze Zimmer leuchtet in orange,

Sonnenaufgang.

 

Das erinnert mich an Mutter,

die uns Kindern beim Sonnenuntergang an Heiligabend,

auf dem Weg von der Kirche nach Hause zur Bescherung,

erklärt hat:

„Das Christkind backt Kuchen“.

 

Vor mir steht leuchtend ein Engel

aus gläsernem Acryl,

mit einem bläulichen LED-Lämpchen.

Herrlich romantisch,

fast ein bisschen kitschig.

Den bekommen meine Enkel zu Weihnachten.

 

Ich erinnere mich an die Zeit

ernsthafter theologischer Auseinandersetzungen

mit der Weihnachtsbotschaft der Inkarnation,

der Fleisch- und Menschwerdung Gottes.

Als ich jeden romantischen Weihnachtskitsch

vehement bekämpft habe.

 

Aber viel lieber erinnere ich mich an die Zeit

mit all den herrlichen Klängen und Gerüchen,

den seelischen Erschütterungen knisternder Vorfreude

beim Plätzchenbacken im Kerzenschimmer.

 

Und an die Zeit, als wir für unsere Tochter

den ganzen Wohnzimmerteppich

mit Stroh bedeckt hatten,

um der Krippe ganz nahe zu sein.

 

Meine Enkel bekommen einen

bläulich leuchtenden Acrylengel.

 

Das Geheimnis der Weihnachtsengel:

Sie sind wie Düfte.

Sie krabbeln in jede Ritze.

 

Weihnachtsengeldüfte

sind nicht einfach nur romantisch.

Sie krabbeln in jede Ritze.

 

Wenn Du Frieden willst und Versöhnung,

wenn Du Flüchtlinge wie Maria und Josef

aufnehmen willst,

musst Du damit rechnen,

dass Du den Christus in Dein Haus lässt.

Das ist nicht romantisch.

 

Kann sein, dass wir Menschen

viel lieber auf all die Romantik achten,

damit wir uns die frohe Botschaft

nicht anschauen müssen.

 

Frieden wirklich wollen

ist kein romantisches Knistern.

Die Engelsdüfte gehen in jede Ritze.

Auch dahin, wo unser Unfriede ist,

unser Rechthabenwollen, unsere Urteile,

unsere Sorgen und Ängste.

 

Wenn wir es uns erlauben,

all unseren Groll und all unsere Angst anzuschauen,

ist das der wundersame Beginn, beide loszulassen.

 

Wir dürfen unsere versteckten Flüche flüstern,

uns unserer bodenlosen Einsamkeit stellen,

unseren gierigen Egoismus aussprechen,

unseren Hass in ein Kissen schreien,

unsere bisher ungeweinten Tränen strömen lassen,

unsere tiefsten Sehnsüchte bekennen

und vor dunkler Todesangst erschaudern.

 

Das alles auch ist unsere Wirklichkeit.

Hinschauen und Loslassen ist kein Spaß

und keine Romantik.

 

Wenn wir uns all dem, was so furchtbar weh tut,

vertrauensvoll und mutig stellen

und es mit jemandem teilen,

müssen wir damit rechnen,

dass jemand uns zum Christus wird,

wir jemandem zum Christus werden.

 

DAS könnte in diesem Jahr

die Weihnachtsbotschaft sein.

 

Und dafür dienen

all die schönen Gerüche und Klänge,

all die wunderbaren Leckereien.

Ja, das Christkind backt Kuchen.

 

Und meine Enkel

bekommen einen gläsernen Acrylengel

mit bläulichem LED-Lämpchen.

 

Denn Engelsdüfte gehen in alle Ritzen.

Wundertäter

Wundertäter

 

Wusstest Du eigentlich schon,

dass Du ein Wundertäter bist und Wunder tun kannst?

 

Ich habe heute Morgen eins getan und erlebt

und ich will Dir das Geheimnis verraten, wie es geht,

dann sind wir schon mal zwei.

 

Ich saß so da, ganz in Gedanken versunken.

Beim Grübeln

kamen meine Sorgen und Ängste nach oben,

all mein Unerledigtes,

mein Groll, meine Urteile, meine Vorwürfe,

meine Konflikte, meine Unzufriedenheiten,

meine Trägheiten und Resignationen.

All diese Fragen.

 

Und all dies Grübeln und Fragen

gipfelte in die eine Frage:

Liebe ich und bin ich geliebt?

 

Und bei dieser einen, letzten Frage

geschah etwas, das ich zunächst nicht verstand:

irgendetwas war auf einmal ganz anders.

 

Da kam so ein Gefühl von Dankbarkeit

angeschlichen.

Das hat sich so gut angefühlt,

dass ich ein wenig dabei bleiben wollte,

bis mir klar wurde, wie glücklich sich das anfühlt.

Und ich dachte: JA,

Dankbarkeit führt so sicher zu Glück,

wie Undankbarkeit zu Unglück führt.

 

Mich zu fragen,

ob ich liebe und geliebt werde,

führt so sicher zu Liebe,

wie das Nichtstellen dieser Frage dazu führt,

mir der Liebe nicht bewusst zu sein.

 

Das war wie ein Durchbruch

durch die Wolken der Sorgen.

 

„Nur“ diese eine Frage.

Diese eine, alles entscheidende Frage.

 

In diesem einen Augenblick,

in dem sie da war, die Liebe

(und sie ist immer da!),

gab es für diesen Augenblick

keine Sorge, keine Angst, keinen Groll.

 

Da wurde mir klar:

Solange ich atme, liebe ich

und werde geliebt.

Das ist unumstößliche Wahrheit

und Wirklichkeit.

Da kann ich nichts dran ändern.

 

Dass die Liebe da ist,

ist mindestens so sicher

wie die Tatsache, das Licht und Luft da sind.

 

Kann sein, dass ich blind bin oder es Nacht ist.

aber das ändert nichts daran, dass die Sonne scheint.

 

Kann sein, dass mir mal die Luft weg bleibt,

aber das ändert nichts daran, dass es Sauerstoff gibt.

 

Kann sein, dass ich sie mal nicht spüre, die Liebe

oder ich ihrer nicht bewusst bin,

aber das ändert nichts daran, dass sie da ist.

 

Allein das ist schon ein Wunder:

Ich muss nichts tun oder lassen,

„nur“ diese eine Frage stellen:

Liebe ich und bin ich geliebt?

Damit ist alles getan.

 

Ich nehme alles an, so, wie es ist

und stelle nur diese eine Frage.

Und dann geschieht es:

Ich liebe. Und ich bin geliebt.

 

Und hier kommt das eigentliche Wunder,

das Dich und mich zu Wundertätern macht.

Halt Dich irgendwo fest, es könnte Dich umhauen:

 

Du stellst diese eine, alles entscheidende Frage:

Liebe ich und bin ich geliebt?

Wenn Du mit JA antwortest,

ist sie da die Liebe.

Und wenn Du mit NEIN antwortest,

ist sie erst recht da, die Liebe,

denn Du bist Dir gerade,

allein durch das Stellen der Frage,

ihrer bewusst geworden.

Da kannst Du nichts dran ändern.

 

Die Liebe macht, was sie will.

Da kannst Du auch tun und lassen, was Du willst.

Ist DAS schön ? !!!

Sein und Sollen

Sein und Sollen

 

beschreibt sie wohl ganz gut,

diese stressige Quälerei

in der Vorweihnachtszeit,

diese Diskrepanz zwischen dem was ist

und dem, was unbedingt muss.

Advent heißt ja wohl Erwartung von Ankunft.

Was bedeutet eigentlich Weihnachten?

 

Es fehlen mir noch ein paar Geschenke.

Wollte noch Plätzchen backen.

Ich muss vor Weihnachten

noch ein paar Konflikte lösen

und Beziehungen klären, besonders die eine.

Dies und Das am Schreibtisch

wäre noch zu erledigen.

Jetzt wird es endlich dringend Zeit

für die Winterreifen.

Beruflich müssten vor Weihnachten

noch zwei bis drei Projekte

in Angriff genommen werden.

Und zwei bis drei Einladungen.

Und der Hausputz.

Ach ja, die Überweisung an die Kindernothilfe.

Und all das,

was ich bis Dezember aufgeschoben hatte.

Muss auch noch zum Weihnachtsmarkt.

Zu alledem sind noch ein paar

wichtige Entscheidungen zu treffen,

z.B. wer zu den Festtagen besucht

oder ausgeladen wird.

Ein bisschen Bewegung täte mir auch gut.

Sollten wir den Zustrom der Flüchtlinge begrenzen?

Was ist mit den Tornados? Und dem Klima?

Und dann kommt ja noch diese Adventsfeier.

 

All das klingt wie eine Eskalation,

hinein gesteigert bis in die Heilige Zeit:

Die Gans ist zäh, den Zeitpunkt verpennt,

die genervten Gäste nörgeln vehement,

und die Kerzen zerfließen dezent,

weil der Baum brennt.

 

Dies oder Das ist erfolgreich verschoben

und für das nächste Jahr aufgehoben.

Die Waage knirscht vom cremigen Tortenboden.

 

Geschenke dürfen zurück zum Erzeuger

und für Beziehungskonfliktlösungen finden sich

friedensstiftende Suchtstoffbetäuber.

 

Die Tornados machen Festtagspause,

obwohl die Muslime gar keine Christen sind.

Der Klimagipfel plant für 2020,

die Lichterketten an den Festtagen

für 10 Minuten am Tag ausschalten zu lassen.

Joggen ist im Frühling wirklich schöner.

(das könnte ich zeitlich

mit den Sommerreifen verbinden).

Bei den Beziehungskonflikten vertraue ich auf die Zeit,

die die Wunden heilt.

 

Da fällt mir ein:

was war eigentlich mit der geplanten Besinnung

in der Adventszeit?

Da war wohl auch wenig Sein und viel Sollen…

Immerhin,

die Weihnachts – CD lief ein paarmal.

Quälerei. Schlechtes Gewissen.

Mit dieser Geburt sollte doch

der Himmel auf die Erde kommen.

 

Und jetzt?

Versagt.

Gescheitert.

Das haut mich um.

Und während ich so da sitze,

umgehauen von der Wirklichkeit,

und diese Gefühle zulasse,

erkenne ich:

Das alles bin ich nicht,

dieses ganze Wollen, Sollen und Müssen:

Ich kann und will

manche Dinge nicht entscheiden.

Ich kann und will mir und anderen

nicht alles recht machen.

Ich kann meinen Ansprüchen

und denen anderer nicht genügen.

Ich kann und will nicht

auf Knopfdruck funktionieren.

Ich bin nicht perfekt.

Ich will nicht mehr Aufschieben sagen,

wenn ich Dinge verschiebe.

Ich kann nicht immer nur lieben.

Ich bin einer, der immer wieder versagt.

Und scheitert.

Ich bin und ich bin nicht Dies und Das.

Ich tue und lasse Dies und Das.

Genau so bin ich perfekt.

 

Ich habe statt Sollen mein Sein gewonnen,

da ist auf einmal der Himmel gekommen.