Archiv | November 2013

Würde

Würde

Für viele Menschen ist Würde ein Konjunktiv,

eine Möglichkeitsform:

 

Ich würde ja,

wenn ich hätte, könnte, dürfte oder wüsste.

 

Wenn wir zu diesen Menschen gehören,

leben wir ein konjunktivistisches Leben.

Das ist weit unter unserer Würde.

 

Gleichzeitig gehören wir zu den Menschen,

die unentwegt auf der Suche sind

nach Sicherheit, Gewissheit und Führung.

 

Wir opfern unsere Freiheit

und suchen unentwegt nach dem roten Faden.

Wir wollen gar nicht die freie Wahl der Möglichkeiten.

Auch das ist weit unter unserer Würde.

 

So sind wir wohl:

einmal wollen wir Möglichkeiten

und einmal nicht.

 

Ich würde ja…

wenn die Bedingungen besser wären,

wenn ich hätte, könnte, dürfte oder wüsste

und wenn Du Dich verändern würdest.

 

Würde ist einzigartige Selbstbestimmung,

unveränderbar, unantastbar, unverlierbar.

Sie ist durch Gottesebenbildlichkeit garantiert,

alle Menschen sind gleich,

alle selbstbestimmt.

Soweit die Theorie.

 

Und warum gelingt es in der Praxis nicht?

Wahrscheinlich, weil wir Menschen sind.

Und nicht nur der andere ist ein menschlicher Mensch,

wir selbst sind es auch.

 

Unsere Selbstbestimmung ermöglicht uns

weit unter unserer Würde zu leben.

 

Wie kommt das?

Vielleicht so:

wir verwechseln Selbstbestimmung

mit Seinsbestimmung.

 

Die unveränderbare, unantastbare, unverlierbare

Würde des Menschen

ist seine Seinsbestimmung.

 

Der rote Faden,

ich sehne mich nach ihm,

würde ihn gern ergreifen, hätte ihn gern.

Dann ergreife ich ihn, habe ihn und lasse ihn wieder los.

 

Bis ich endlich begreife:

DAS ist unter meiner Würde.

Ich BIN gar nicht selbstbestimmt

im Ergreifen und Loslassen

meines roten Fadens.

 

Es gibt im Leben menschlicher Existenz

eine einzige Freiheit garantiert nicht:

die Vernichtung der Würde – der eigenen und der anderer.

 

Die Würde

ist der rote Faden, der mich hält.

Da habe ich keine Wahl.

 

Die Würde,

die die Liebe ist,

hält mich, ob ich will oder nicht.

Unveränderbar, unantastbar, unverlierbar.

 

Ganz selbstbestimmt habe ich die Freiheit

mein Leben mit der Anstrengung zu vergeuden,

mein Gehaltensein

zu leugnen, zu verdrängen, zu negieren.

(Damit gliche ich einem,

der die Sonne leugnet).

 

Aber ich habe nicht die freie Wahl,

den roten Faden der Liebe der mich hält,

zu durchtrennen.

 

DAS ist Würde:

zu wissen, dass die Liebe,

die kommt und geht,

wann und wo SIE will,

so einiges kann und anderes nicht.

Aber eines kann sie garantiert nicht:

Sie kann nicht nicht lieben.

 

DAS ist Würde:

Ich weiß, dass ich mich nicht nicht lieben kann.

Und Menschen, Tiere und Pflanzen

 nicht nicht lieben kann.

 

Ich bin allerdings frei und selbstbestimmt,

meinem Verstand

mit Schuld, Urteil, Angst und Trennung

den Vorrang einzuräumen.

Aber das ist unter meiner Würde.

 

Würde ist KEIN Konjunktiv.

Sie ist die Liebe, die trägt,

immer und unter allen Umständen trägt.

 

Erinnerung

Erinnerung

Herbstsonntag.

Wir machen es uns gemütlich:

Frische Brötchen zum Kaffee.

Kerzen.

Kuschelsofa.

Zuhause sein.

Herzenswärme.

Wir erinnern uns.

An all das Wahre, Schöne und Gute.

Das von außen und das von innen.

All die Liebe die, trotz allem, immer da ist.

Das Wahre, das immer auch schön und gut ist.

Das Schöne, das immer auch wahr und gut ist.

Das Gute, das immer auch wahr und schön ist.

Alle Drei sind immer voll der anderen beiden.

Wir er – innern, dass wir alle Drei geborgen in uns tragen.

Wir ver – innerlichen sie, wenn sie von außen kommen.

Wir be – innern sie, wenn wir sie in uns wirken lassen.

Und wir ent – innern sie, indem wir sie hinaus lassen und teilen.

Es ist dieser eine Augenblick im Hier und Jetzt:

Voller Wahrheit, Schönheit und Güte.

Trotz allem.

So oft zugedeckt

von unserer Erinnerung an die unschöne Vergangenheit

und unserer Angst vor der Zukunft.

Vielleicht gibt es

nur zwei wahre, schöne und gute Möglichkeiten

der Vergangenheit und der Zukunft nachzuspüren:

Das glückliche Er – innern,

dass der letzte Augenblick voller Liebe war,

trotz allem.

Und dass der nächste Augenblick voller Liebe sein wird,

trotz allem.

Wir können nicht viel falsch machen in unserem Leben.

Alles, was wir tun und lassen,

sind Gelegenheiten,

zur Erbauung oder zum Lernen,

für uns selbst und für die anderen.

Vielleicht können wir überhaupt nur eines falsch machen:

Dass wir uns nicht erleuchten lassen,

von dem Licht, das wir in uns tragen.

All das Wahre, Schöne und Gute.

Liebe ist doch das, was wir schon sind.

Wie die Hummel,

die die Frucht empfängt,

um sie wieder herzugeben.

Ihr Summen,

das uns an das Schnurren er – innert,

das uns erfüllt,

wenn wir uns dessen bewusst werden,

dass wir das Wahre, Schöne und Gute

in uns tragen,

um es wieder herzugeben.

Unsere Sehnsucht nach Gemütlichkeit

könnte die Sehnsucht

nach einer tieferen Wahrheit sein:

die Gemüt – licht – heit.

Das Licht, das wir im Herzen tragen zu er – innern,

das Licht, das von außen unser Herz berührt zu ver – innern,

und die Strahlkraft, die uns beim Be – innern erfüllt,

um sie durch Ent – innern hinaus in die Welt zu tragen.

Vieles spricht dafür,

dass es sich bei diesem Licht

um die Kraft handelt,

die Samenkörner platzen lässt.

10.11.2013 Tiefgang

Tiefgang

 

Manchmal fragen wir uns, warum wir so wenig spüren.

Oder uns an eigenen Grenzen besser spüren.

Warum manchmal so Vieles so wenig intensiv ist.

 

Dann halten wir manchmal Tagesschau.

Schauen, was wir erledigt und nicht erledigt haben.

Und warum wir so erledigt sind.

 

Dann sind wir manchmal ganz erledigt vom Erledigten

Und manchmal noch erledigter vom nicht Erledigten.

 

Wie kommt es nur,

dass wir bei dem Versuch weniger zu erledigen

doch wieder nicht weniger erledigt sind?

 

Vielleicht war mal wieder alles zu viel.

Vielleicht ist weniger tatsächlich mehr.

 

Es scheint, als würde der Schmerz des Erledigtseins

im Verstand beginnen, dort gepflegt werden

und sich dort festsetzen.

 

Der Verstand suggeriert, dass all die Erledigungen,

die von außen an mich heran getragen werden,

meine eigenen Ansprüche und Anforderungen sind.

 

Immer ist es mein Verstand,

der sich für vernünftig hält,

wenn Dinge erledigt werden. Oder nicht.

Zu meinem Wohl.

 

Es ist mein Verstand,

der sich drohend zur Mitte meines Lebens aufspielt,

die hämmernde Befehlszentrale oben im Hirn,

die über den beißenden Nacken und die ziehenden Schultern

und von dort über die schwieligen Hände

in die schweren Füße strahlt.

 

Der Verstand,

der zielsicher am Herz vorbei und drum herum

an alle schmerzenden Glieder Befehle erteilt,

die diese zu erledigen haben, oder nicht.

 

Aber:

dieses Drama ist keine Tragödie.

Es gibt einen Ausweg.

Und zwar diesen:

 

ES MUSS VOM HERZEN KOMMEN

 

Immer wenn der Verstand befiehlt,

was zu denken, zu fühlen, zu tun oder zu lassen ist,

läuft das Drama in eine Tragödie:

es bleibt an der Oberfläche.

 

Aber immer,

wenn all das, was wir denken, fühlen, tun oder lassen,

aus der Tiefe der Mitte unseres Herzens geschieht,

erhält es die dienende Tiefe beitragender Liebe.

 

Dann spüren wir im Trocknen von Tränen

nicht nur die eigene Erleichterung,

sondern das Aufatmen der anderen Seele.

 

Wir spüren im Duft einer Blüte

nicht nur die Befriedigung des eigenen Innehaltens,

sondern die Kraft der sich selbst bewahrenden Schöpfung.

 

Wir spüren im Schlichten von Streit

nicht nur die eigene Sehnsucht nach Harmonie,

sondern den sich in die Welt hinaus dehnenden Frieden.

 

Wir spüren im Erklären von Steuern

nicht nur die Erfüllung vereinbarter Pflicht,

sondern die gemeinschaftlich getragene Versorgung

Armer und Schwacher.

 

Und wir erkennen in der liebevollen Akzeptanz

eigener und fremder Dunkelheiten

das Licht des weggetragenen Steins der Auferstehung.

 

In einem Tiefgang,

der auch die eigene Oberflächlichkeit,

die im Gewande des Anspruchs das Leben zerstört,

nicht bekämpft,

sondern in liebevoller Sanftheit heiter versöhnt.

 

Schöpfer 3.11.2013

Schöpfer

Die großen Logotherapeuten

(Logotherapie ist sinnzentrierte Psychotherapie nach V. Frankl)

sind sich darin einig, wie das Leben gelingt

wie sein Sinn gefunden und realisiert werden

und wie es glücklich und erfüllt gelebt werden kann:

 

Positive Beziehungen

Wert-Orientierung

Verwirklichte Talente und Fähigkeiten

Ein guter Mensch sein

und Lust am Leben

(siehe Boglarka Hadinger, „Mut zum Leben machen“)

 

Der Mensch, der mit diesen wundervollen Kriterien

Sinn gefunden und realisiert hat fragt sich, ob es etwas gibt,

das über dieses diesseitige Leben hinaus geht.

 

Die Religionen sprechen von Leib, Geist und Seele.

Und von Ewigkeit

 

Was aber, wenn Ewigkeit keine zeitliche Dimension ist?

Sondern eine qualitative,

eine für das Leben VOR dem Tod?

 

Was, wenn es stimmt,

dass Gott den Menschen als sein Abbild schuf,

mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt (Psalm 8)?

Was, wenn es stimmt, dass Gott den Menschen

mit seiner eigenen, unverlierbaren, bleibenden Göttlichkeit

in die Gegenwart gesetzt hat?

Als seinen Repräsentanten,

als sein Re-Präsent für die Welt?

Als seine Gleichzeitigkeit von Ich und Du?

 

Dann wäre der Mensch

mit seinem ewig-gegenwärtig-göttlichen Anteil

Mit-Schöpfer.

Schöpfer.

 

Dann wäre der Mensch

(siehe der Schöpfungsbericht in der Bibel)

mitverantwortlich für Himmel und Erde.

Und dafür, dass Licht werde.

Dass Pflanzen, Früchte und Blumen gesät werden.

Dass Tiere, Pflanzen, Wasser, Erde und Luft

behütet und geschützt werden.

Dass die göttliche Würde des Menschen

in all seinen Beziehungen

ent-deckt und bewahrt werde.

Und dass er an jedem siebten Tag

zu Ruhe und Besinnung gebracht werde.

 

Die Seele bekäme eine Bedeutung in der Gegenwart.

Es ginge nicht mehr so sehr

um die Befriedigung der Sinne und des Verstandes.

Der Mensch als Mensch mit seiner Seele

wäre Mit-Schöpfer

in dieser wunderschönen Welt

mit ihren wunderbaren Menschen.

 

Wir können heute als Mit-Schöpfer

einen Apfelbaum pflanzen

(trotz allem),

Licht in die Welt bringen,

Tiere, Pflanzen, Wasser, Erde und Luft beschützen,

Beziehungen stiften

und ruhen.

 

Und wie?

Durch positive Beziehungen,

Wertorientierung,

Kompetenzpflege

 

und ein paar kleine Beiträge,

die andere dazu einladen,

die eigene Lebenslust zu teilen.