Archiv | Mai 2012

Freiheit

Wusstest Du schon, dass Du frei bist ?

Du hast die freie Wahl !

Ich meine bei ALLEM, bei wirklich allem !

Welch ein Versprechen.

Hast Du Dich nicht oft schon danach gesehnt ?

Stattdessen denkst Du:

Ich muss arbeiten und Geld verdienen.

Ich muss meine Gewohnheiten, Sehnsüchte

 und Süchte befriedigen.

Ich muss mich durchsetzen oder nachgeben.

Ich muss lieben und geliebt werden.

Ich muss essen, trinken, leben und sterben.

Ich muss meine Blumen gießen

und meine Verwandten besuchen.

Spürst Du den Druck ? –

Und gleichzeitig klingt dieses eingebildete Müssen

immer auch ein wenig nach Muss-Sucht

und Mussturbation, oder ?

Tatsächlich aber könnte es doch auch so sein,

dass all Deine eingebildeten Fremdbestimmungen

(Dein Körper, Deine Familie, Dein Partner,

Deine Blumen und Deine Verwandten)

daher kommen, dass Du keine Lust hast,

Verantwortung zu übernehmen für Dein Leben

in freier Wahl und Entscheidung, stimmt`s ?

Ist es nicht klammheimlich viel bequemer

zu glauben, Du könntest nichts dafür

und könntest es nicht ändern ?

Bitte fühl Dich nicht angegriffen !

Du bist damit ja nicht allein.

Fast jeder denkt, er hätte keine Wahl

beim Geld verdienen, Süchte pflegen,

Blumen gießen und Verwandte besuchen.

Außerdem gibt es ein starkes Gefühl von Verbundenheit

mit all den anderen Geldverdienern, Süchtepflegern,

Blumengießern und Verwandtebesuchern.

Die einen sagen, es wäre in Ordnung, all das zu tun,

die anderen sagen, es wäre nicht in Ordnung.

Von beiden findest Du viele.

Und egal, wer Du bist, was Du bist und mit wem Du bist:

Du findest immer Ablehner und Zustimmer.

Und da geschieht das Wunder:

Du stellst fest: Du kannst es tun oder lassen.

Es gibt wirklich Wichtigeres auf der Welt.

Tu es doch. Oder lasse es.

Du hast die freie Wahl !!!

Falls Du es noch nicht glauben kannst,

probier doch übergangsweise dies:

Tu so, als ob Du die freie Wahl hättest.

Dann tue es mit ganzer Hingabe.

Oder lasse es mit ganzer Hingabe.

In freier Verantwortlichkeit,

ganz selbst entschieden.

Da wird es noch wunderbarer, das Wunder:

mitten hinein in das „als ob Du die freie Wahl hättest“,

HAST Du auf einmal die freie Wahl.

Booooah ist das schön.

Ich geh mal grad die Blümchen gießen.

Pusteblume

 Es ist Sonntagmorgen,

ich liege im Garten inmitten hunderter Pusteblumen.

Der Löwenzahn ist wohl eine der schönsten Blumen

auf der Welt.

Tief treibt er seine Pfahlwurzel in den

fruchtbaren Mutterboden.

Aus dem samt-weichen Kelch sprießen erst die

leuchtend-gelben Blätter

und später hunderte kleine Gleitschirmflieger,

die sich in universaler Ordnung

zu einer kugelrunden Pusteblume gruppieren,

um dann nach je eigener Bestimmung

 vom Frühlingswind in die Welt getragen zu werden.

Sinnierend frage ich mich,

ob ich ein Bruder der Pusteblume bin:

Die köstliche Nahrung von Mutter Erde

bringt meine Blüten zum Leuchten

und ihr Geist trägt meine Bestimmung in die Welt.

Da kommt mein Atem in mein Gewahrsein.

Es atmet mich. Ich lebe.

Es wird ganz ruhig in mir.

Alles ist gut.

Da war ich wohl eher wieder ein Geschwister all derer,

die unbedingt gebraucht werden wollen.

Im Bunde all der Sozialen und all der Männer,

die unbedingt ihren Samen

in der Welt verteilen möchten.

All derer, die ihren Selbstwert

aus gutem Tun beziehen.

All derer, die auf die Frage des Taxifahrers,

wohin es denn gehen solle, antworten:

Egal, ich werde überall gebraucht.

Mein Atem kommt und geht.

Gefühle und Gedanken kommen und gehen.

Ich spüre wohltuende Achtsamkeit.

Eine Achtsamkeit, die kein Ziel hat

und nichts bewirken will,

weder für mich, noch für andere.

Einfach nur so.

Wie ein Zeuge meiner selbst

beobachte ich

mein Begehren, meinen Zorn, meine Trägheit,

mein Innehalten,

meinen Frieden, meine Liebe, meine Lebenslust.

Es muss nichts dabei heraus kommen bei alledem.

Ich bin ein Geschwister der Pusteblume.

Sie fragt nicht nach dem Woher, dem Wozu

und dem Wohin.

Fragt nicht nach Ziel und Sinn.

Sie steht einfach da.

Treibt ihre Wurzeln nicht in den Boden,

bringt ihre Blüten nicht zum Leuchten,

verteilt ihren Samen nicht

und achtet nicht einmal auf Achtsamkeit.

Sie steht einfach da.

Mutter Erde stärkt sie,

lässt sie erstrahlen

und fruchtbar sein.

Sie muss das noch nicht einmal glauben.

Es geschieht.

Wie mein Atmen – ohne mein Zutun – geschieht.

So geschieht mein Versorgtsein,

mein Lachen, Leuchten und Strahlen.

Vielleicht steckt es andere an.

Aber die atmen ihren Atem

und leuchten ihr Leuchten.

Und stecken mich vielleicht an.

Meine Schwester die Pusteblume,

kitzelt Nase und Seele mit einem Gleitschirmflieger

und lächelt mir zu. 

Gewinn

Manchmal gelingt es mir, mir selbst gegenüber

ein klein wenig ehrlich zu sein.

Dann gebe ich z.B. zu,

dass ich bei allem, was ich tue oder lasse,

einen Gewinn haben will.

Nicht nur beim Lotto spielen, beim Arbeiten,

beim Pflegen meiner Süchte, beim Klären von Beziehungen,

beim Abarbeiten von To-do-Listen.

Sondern auch beim Blumen gießen, beim Lieben,

beim Glauben, beim Beten

und beim Besuch der Mutter am Muttertag.

Sogar beim Meditieren habe ich die Hände geöffnet,

damit Irgendjemand etwas hinein legt.

Ganz bestimmt wäre es gut, wenn all das

ein Dienst wäre. Ein Beitrag für jemanden.

Wenn ich bei jedem Punkt auf der To-do-Liste

jemanden in den Blick nehmen würde,

dem das gut tun könnte.

Wenn ich beim Lieben

ganz für den anderen da sein könnte.

Beim Blumengießen die Blume fühlen könnte.

Beim Glauben und Beten

an Gottes Wohlbefinden denken könnte.

Mutter um ihretwillen besuchen könnte.

Dann wäre mein Beitrag ein Dienst.

Aber so bin ich nicht.

Ich will lieber einen Deal als einen Dienst.

Ich will,

dass für mich etwas dabei heraus springt.

Eigentlich weiß ich:

Nur wenn ich meine Gewinnsucht loslasse,

kommt etwas Gutes dabei heraus.

Das funktioniert aber nur,

wenn ich das Loslassen nicht erneut

mit Gewinn assoziiere.

Also lasse ich das Loslassen jetzt auch los.

Ich lasse das Gewinn wollen los

und das Gewinn nicht mehr wollen auch.

Da wird es etwas ruhiger in mir.

Ich bin mir grad ganz wichtig.

Oder auch nicht.

Auch dadurch, dass ich mich selbst

nicht mehr so wichtig nehmen muss.

Oder auch doch noch.

Vielleicht begegne ich gleich einem Menschen.

Oder einer Blume.

Dann sind die mir ganz besonders wichtig.

Oder auch nicht.

Mal sehen.

Ich glaube ich bin so einer,

der bei fast allem gerne einen Gewinn hat.

Diese Erkenntnis ist ein guter Anfang.

Ja, das ist sie.

Da bin ich mir ganz sicher.

Vielleicht aber auch nicht.

Perfektionismus

Gestern gab es keine Sonntagsgedanken.

Obwohl ich so gerne zuverlässig bin.

Viele Menschen warten jeden Sonntagmittag darauf.

Dadurch bin ich gern besonders zuverlässig.

Am liebsten perfekt zuverlässig.

Kennst Du das auch,

in Beziehung oder Beruf,

bei irgend etwas gern perfekt sein zu wollen?

Dabei raten alle

Therapeuten, Kollegen und Lebenshilfebücher,

den Perfektionismus endlich aufzugeben.

Diesen Stress sein zu lassen.

Manche meinen sogar,

dass wir nur bei den Dingen perfekt sein wollen,

bei denen wir glauben,

nicht gut genug zu sein.

Also: Schluss mit Perfektionismus!

Bringt eh nichts.

Wir werden bei nichts jemals perfekt!

Das haben wir jetzt also verstanden!

Perfekt.

Und doch habe ich manchmal den Verdacht,

dass wir den Perfektionismus nur deshalb sein lassen,

weil wir doch zumindest irgendwie gut sein wollen.

In so einer guten Balance

zwischen ganz und gar nicht,

zwischen richtig und falsch.

Wenn schon nicht perfekt zuverlässig,

dann doch zumindest zuverlässig.

Heimlich, still und leise

schleicht sich durch die Hintertür der Gutmensch,

so ein klein wenig perfekt.

Die inneren Stimmen treten zum Kampf auf die Bühne.

Ich aber will nicht mehr kämpfen,

will nicht hin und her gerissen sein.

Will endlich mal wieder sein, wie ich bin.

Und wer ich bin.

Der nämlich,

der manchmal nicht zuverlässig ist,

der nicht immer jeden verstehen will,

und der, der es liebt recht zu haben.

Der, der auch mal schlechte Laune hat

und keine Lust auf Kontakt.

Der, der Unmögliches bewahren

und Bewährtes verändern möchte.

Der, der schlechte Gewohnheiten pflegt

und der, der nicht immer lächeln muss,

wenn er in den Spiegel schaut.

Und der, der gern auch mal 3 Hamburger isst.

Der, der sich eben nicht

mit seinen Schweinehunden versöhnt,

sondern der, der sie manchmal bekämpft

und ihnen manchmal blind und gedankenlos folgt.

Ich bin manchmal

gierig und manchmal träge.

Und manchmal kaum erträglich egoistisch.

Manchmal suhle ich mich melancholisch

in meinen therapieresistenten Kindheitsprägungen.

Manchmal verurteile ich mich und andere

und genieße dabei das Gefühl recht zu haben.

Wenn es gut geht,

kann ich bei all dem trotzdem lachen.

Aber es gibt auch Dinge,

bei denen ich im Nachhinein froh bin,

wenn mir das Lachen vergangen war.

Nicht mehr perfekt,

ein guter Anfang.

Nicht mehr gut genug,

ein zweiter, ziemlich entlastender Schritt.

Manchmal egoistisch, unemphatisch und unecht

und dabei ein klein wenig ungut, unlieb, unfroh

und unzuverlässig:

ein dritter kleiner Schritt zu kleiner Erleuchtung.

So halb zuverlässig in all meinen Halbheiten,

das fühlt sich so herrlich halb an.

Denn so ein klein wenig erleuchtet genügt vollkommen.

Stimmt`s ?